Happy Birthday, Frauenwahlrecht!
Heute jährt sich die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts zum 100. Mal. Zumindest bei uns. Andere Länder, wie beispielsweise Spanien (1931), Frankreich (1944) und Portugal (1946) müssen noch ein paar Jahre auf den runden Geburtstag warten.
Wir sind alle gleich. Wir haben alle Nippel, Popos, Ohren, kleine Zehen und ein Gehirn. Wir leben in der gleichen Hülle und sind doch alle nur ein klitzekleiner Teil der 8.7 Milliarden Menschen weltweit. Wir nennen uns die “intelligente“ Spezies, bauen Raketen und MacBooks und haben uns doch irgendwann dazu entschlossen, uns limitieren zu wollen.
Zumindest gegenseitig. Zumindest die Männer die Frauen.
Mit der Einführung des Frauenwahlrechts wurde 1918 der Grundstein zur Gleichberechtigung von Mann und Frau gelegt, sagt man. Dann sind wir aber noch nicht viel weiter gekommen, sage ich. Es ist Zeit für eine Bestandsaufnahme und für die Frage, warum sich Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung immer so schmerzlich langsam anfühlt.
Wie alles begann
„Taten statt Worte!”, wurde zum Schlachtruf der britischen Suffragetten, nachdem sie jahrelang friedlich aber vergeblich für das Frauenwahlrecht gekämpft hatten. Weil ihre Stimmen ungehört blieben, griffen die Suffragetten zu radikaleren Methoden. Schaufenster wurden zertrümmert, Brände gelegt, die Frauen ketteten sich sogar an Bahngleise. Im Namen der Gleichberechtigung wurde der friedvolle Protest durch radikalen Aktivismus ersetzt. Es hagelte Festnahmen, regelmäßig landeten Aktivistinnen im Gefängnis. Dort gingen sie dann gemeinsam in den Hungerstreik. Für ihr Recht. Für uns Frauen. Manche von ihnen gingen im Namen der Emanzipation sogar noch ein Stück weiter. Emily Davison zum Beispiel geriet beim Epsom Derby 1913 vor das Pferd des Königs und starb wenig später als Märtyrerin der Frauenrechtsbewegung an ihren Verletzungen.
Was lange währt, wird endlich gut?
Erst fünf Jahre später jedoch hieß es am 12. November 1918 in Deutschland: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht […] für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen“. Frauen durften jetzt also endlich an die Urne. Von ihrer Stimme tatsächlich Gebrauch machen, konnten sie dann im Folgejahr. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 waren sie als Helferinnen, Rednerinnen und auch Kandidatinnen mittendrin statt nur dabei. 26 der 423 gewählten Abgeordneten waren schlussendlich Frauen. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen wurde übrigens erst 1949 (hoch lebe Artikel 3!) im Grundgesetz festgeschrieben. Erst 45 Jahre später trat das Gesetz, das den Staat zur Durchsetzung dieser Gleichberechtigung verpflichtete in Kraft. Wir sprechen hier von dem Jahr 1994. Das Jahr, in dem Sony in Japan die PlayStation auf den Markt brachte.
Feiern wir jetzt endlich oder was?!
100 Jahre wird dieses hart erkämpfte Wahlrecht in Deutschland heute. Eigentlich ein Grund zum Feiern, oder? “Hoch die Tassen, die Emanzipation hat heute Geburtstag! Lasst die Korken knallen, Frauen! So schlimm kann es um euch und euren Feminismus doch gar nicht stehen! Ihr dürft ja immerhin seit 100 Jahren wählen.“ Traurig nur, dass das Jubiläum des Frauenwahlrechts in ein Jahr fällt, in dem der Frauenanteil im Bundestag nur bei 31% liegt und die AfD zweistellige Ergebnisse einfährt. In dem Frauen vielerorts noch immer in der “motherhood trap“ stecken und kinderlose Frauen in der Politik oder auf Managerebene oft überrepräsentiert sind (ist auch schwer das Kind zu wickeln und gleichzeitig Meetings abzuhalten).
Kurzum: Packt das Konfetti wieder ein Leute, es gibt hier nichts zu feiern.
Equality, bist du’s?
Ja, wir dürfen uns heute erinnern. An die Frauen, die den heutigen Tag möglich gemacht haben. Wir dürfen uns ehrlich darüber freuen in einem Land zu leben, in dem wir Frauen mehr zu lachen als zu weinen haben. Wir sind aber noch lange nicht da, wo wir hin wollen. Wo wir hingehören. Lasst mich noch ein paar Dinge sagen, bevor ihr euren inneren weißen, privilegierten Mann channelt und mich auf dem digitalen Scheiterhaufen verbrennen wollt: 1918 mag die Einführung des Frauenwahlrechts ein Meilenstein für die Gleichberechtigung der Frau gewesen sein, seitdem ist aber, Hand aufs Herz, meilensteinmäßig nicht allzu viel passiert. Wir Frauen dürfen hier und da ein Kreuz machen, uns selbst zur Wahl stellen, dürfen arbeiten gehen (nicht aber gleich viel verdienen!) und Scheidungen einreichen. Jedes Jahr am 8. März schenkt man uns dann Blumen und Pralinen und freut sich mit uns über unsere Weiblichkeit. Facebook gratuliert ganz herzlich zum Weltfrauentag und nach 24 Stunden ist der Spuk der Sonderbehandlung auch schon wieder vorbei. Dabei sind Frauenrechte doch keine Sonder-, sondern Menschenrechte.