Menschenmenge

Hassobjekt: Menschen, die uns zu sehr auf die Pelle rücken

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: Leute, die ihren Mitmenschen viel zu sehr auf die Pelle rücken.

Diese verdammte Supermarktkasse. Jeden Tag dasselbe: Dutzende Menschen, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun haben, als zu arbeiten oder zur Uni zu gehen, und sich dann noch kurz vor Ladenschluss durch die Massen zwängen, um einkaufen zu gehen. Und traurigerweise bin ich eine von ihnen. Aber gut, ich habe Zeit, und finde das letzten Endes gar nicht mal so schlimm (was man von der bemitleidenswerten Person hinter der Kasse nicht behaupten kann). Immerhin stehe ich, wie auch der Typ mit seinem Wocheneinkauf von zehn Pizzen und der Dame mit zwei Milchtüten vor mir, an der Kasse. Alles kein Problem, alles noch tragbar. Was jedoch unerträglich ist, ist die Person, die sich gerade hinter mir an die Kasse stellt und so dicht an mich rückt, dass ich den heißen Atem in meinem Nacken spüre. Falscher Tag für einen Pferdeschwanz. Und als wäre es nicht schon genug, diesen gänzlich unerotischen Mundgeruch in meinen Haaren zu haben, klatscht der Idiot seine Einkäufe noch so nah an meine, dass mein strategisch aufgebautes Konstrukt an Lebensmitteln (schwere Sachen vorne, leichte Sachen hinten) in seine kümmerlichen Bestandteile zerfällt. Genauso kümmerlich wie diese erbärmliche Person, die das im Prinzip sehr, sehr einfache Konzept des Personal Space nicht kennt. Argh!

Personal What?

Personal Space a.k.a mein eigener (!) Freiraum beruht eigentlich auf zwei relativ einfachen Worten: ABSTAND. HALTEN. Eigentlich nicht schwer. Für einige unfähige Gestalten anscheinend schon. Fehlt es in eurem Leben so sehr an menschlichem Körperkontakt, dass ihr fremde Menschen mit eurer Nähe drangsalieren müsst? Als würde es anderen Menschen so viel mehr Platz schenken, wenn ihr einen kompletten halben Meter näher an mich rückt. Und nicht nur an der Supermarktkasse, auch überall sonst halten es viele Menschen für richtig und nötig, an ihre Umgebung mit uneinsichtiger Nähe heranzutreten. Klar ist es in der U-Bahn um 8 Uhr morgens schwierig, groß Abstand zu halten, wenn eh schon alle wie Sardinen in der Dose stehend schlafen. Und schnarchen. Selbst das ist noch annehmbar, weil es einfach nicht anders geht. Aber sich an der Kioskschlange nicht direkt zwei Millimeter neben oder hinter mich zu stellen und am besten noch meine WhatsApp-Nachrichten mitzulesen ist doch eigentlich echt nicht viel verlangt! Aber nicht alle Leute sind mit gesundem Menschenverstand gesegnet. Und wir müssen unfreiwillige Nähe genießen.

Komm mir bloß nicht zu nahe!

Als wäre diese sowieso schon ziemlich anrührende Situation das ganze Jahr über nicht eklig genug, setzt der Sommer noch eine schweißbeladene Schippe mit drauf. Dampfende, Körpergeruch ausdünstende Ausgeburten der Hölle schleichen sich still und heimlich in ihren durchgeschwitzten T-Shirts heran und betören mit ihren Pheromonen. Geil! Wenn ich es gerade noch so durch einen Höllensprint zum Zug geschafft habe, will ich doch auch nicht, dass jemand sich plötzlich an mich reibt! Getoppt wird das dann eigentlich nur noch durch das ungepflegte Kratzen, Reiben und Rubbeln, weil Duschen oder Deos ja anscheinend keine relevanten Optionen mehr sind. Körper an Körper, Schweiß an Schweiß, finden in einer vollendeten Harmonie zwischen mir und dem Unbekannten zusammen.

Das Stichwort ist hier übrigens tatsächlich „fremd“. Denn auch wenn ich es bei Freunden genauso wenig mag, wenn sie sich nach dem Sport oder nachdem sie einen Döner verdrückt haben, mir mit ihrem zwiebeligen Knoblauchduft nähern, kann und darf ich es denen wenigstens sagen. Und ja, Freunde und Familie dürfen sich mir auch auf weniger als einen halben Meter nähern. Bei Fremden tut sich – vor allem wenn man wie ich recht introvertiert ist – noch eine Fallgrube auf, nämlich dass man es ihnen ums Verrecken nicht sagen kann. Quasi als Gebot der Höflichkeit. Keiner will einem Fremden sagen, dass er doch bitte mehr Abstand halten soll, weil er so stinkt. Ich will doch niemandes Gefühle verletzen, ich brauche einfach nur meinen eigenen Freiraum!

Wie man sieht, die Situation ist höchst brenzlig. Da ich leider noch keine perfekt auf mich abgestimmte Methode des Wegrückens gekommen bin, muss ich mich wohl oder übel riechend damit abfinden. Leider kann ich es mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich es mal als Kompliment nehmen kann und mich geehrt fühlen soll, dass jemand sich mir so dolle annähern will. Nur über meine Leiche! Bis dahin laufe ich einfach weg, oder ziehe irgendwann in den hohen Norden:

Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!

Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz