Blick auf die Allianz Arena. Bild: Unsplash

Joshua Kimmich: Der Hippokrates des Fußballs?

Joshua Kimmich hat in den vergangenen Tagen auf Sky erklärt, dass er sich bisher aus Angst vor Langzeitfolgen nicht hat impfen lassen. Gleichzeitig unterstützt er die Initiative We Kick Corona. Wie passt das zusammen? Warum ihn dieses Verhalten nicht nur Werbepartner kosten könnte, sondern auch die Debatte verlagert. Ein Kommentar.

Joshua Kimmich ist in den letzten Jahren zu einem der zentralen Gesichter des 1. FC Bayern aufgestiegen. Der 26-jährige ist jung, gesund und für sein soziales Engagement bekannt. Zusammen mit anderen Spielern unterstützte er Anfang des Jahres 2020 die Initiative We Kick Corona, aus der auch folgender Satz stammt: „Jeder Einzelne von uns kann dafür sorgen, dass sich das Corona-Virus nicht weiter ausbreitet.“

Nun wurde bekannt, dass Kimmich sich zwar engagiert, aber erstmal nicht vor hat, sich impfen zu lassen. Wie geht das? Ist das nicht super heuchlerisch?

Die Antwort ist wie immer kompliziert und muss von mehreren Seiten betrachtet werden. Des Weiteren macht sie ein zentrales Problem der deutschen Impfdebatte deutlich und zeigt mal wieder: Wissen ist Macht.

Kaum hatte Kimmich auf Sky verkündet, dass er derzeit noch nicht geimpft sei, weil er Bedenken bezüglich möglicher Langzeitfolgen habe, eskalierte auch schon die öffentliche Debatte. Stimmen wurden laut er sei ein Querdenker, Aluhutträger und Impfgegner. Die Gegenseite argumentierte, man müsse ihm seine freie Entscheidung lassen, schließlich gebe es keine Impfpflicht und Alice Weidel (AfD) beglückwünschte ihn für seinen Mut, sich gegen die Bevormundung von außen zu stellen. „Dass Herr Kimmich nun laufend genötigt wird, sich für seine persönliche Entscheidung zu rechtfertigen, ist übergriffig und offenbart eine bedenkliche Ausbreitung von konformistischem Bevormundungs-Denken“, kritisierte Weidel.

Ob Joshua Kimmich sich diese Art von Unterstützung gewünscht hatte, bleibt fraglich. Klar ist nur: Er ist nicht geimpft. Die Gründe kann er zwar benennen, was jeder Einzelne daraus zieht, liegt nun nicht mehr in seiner Hand.

Die Debatte

Rasend schnell liefen die Telefonleitungen und Social-Media-Kanäle heiß. Thomas Müller gab im Stern einen Kommentar ab, seine Reaktion blieb professionell verhalten. Was soll er auch sagen? Auf der einen Seite sind die beiden Kollegen und Freunde, auf der anderen Seite plädiert Müller öffentlich klar für eine Impfung. Dies betont er auch im Stern nochmals: „Ich bin Impffreund und hoffe, dass sich die Spieler, die nicht geimpft sind, sich das anders überlegen. Wenn sie das nicht machen, ist das auf menschlicher Ebene auch absolut nachvollziehbar. Von meinem Wissenstand her ist die Impfung eben einfach die beste Möglichkeit.“ Drängen würde er Kimmich aber dennoch nicht. Wie gesagt, eine Impfflicht gibt es nicht.

Auch Experten äußern sich nun medienwirksam zum Fall Kimmich. Der Immunologe Carsten Watzl spricht bei der derzeit explodierenden Debatte von einem „Missverständnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält.“ Das Problem liegt insbesondere darin, dass Menschen denken, Langzeitfolgen würden erst ein bis zwei Jahre nach der Impfung auftreten. Das ist aber Quatsch. Wenn es Folgen gibt, treten sie kurze Zeit nach der Impfung auf und bleiben dann bestehen. Diese sind allerdings so selten, dass man sie häufig erst Jahre später mit der Impfung in Verbindung bringt. Darüber hinaus bot Karl Lauterbach Kimmich ein Gespräch unter vier Augen an, um „seine Bedenken zu zerstreuen.“

Im Gegensatz zu Menschen, die in der Pflege arbeiten, hat die Nicht-Impfung für Kimmich keine beruflichen Konsequenzen. Daraus entsteht bei Bayern-Spielen die absurde Situation, dass für die Zuschauer auf den Rängen die 2-G-Regel gilt und Kimmich unten im Stadion ungeimpft spielt. Paradox.

Die Diskussion erreichte kurze Zeit später und nach diversen Berichten verschiedener Fernsehformate schließlich sogar die Bundesregierung. Der Regierungssprecher Steffen Seibert wies in seiner Ansprache nochmals auf die vorhandenen Informationen zur Impfung hin und appellierte an die Vorbildfunktion Kimmichs. „Denn als einer, auf den Millionen schauen, hätte er dann erst recht Vorbildwirkung.“