Blick auf die Allianz Arena. Bild: Unsplash

Joshua Kimmich: Der Hippokrates des Fußballs?

Soviel also zur vorliegenden Diskussion.

Meiner Meinung nach liegt das Problem aber gar nicht in dem Fakt, dass Joshua Kimmich sich nicht hat impfen lassen, sondern darin, dass er sich nicht hat impfen lassen und eine Person des öffentlichen Lebens ist. Des Weiteren ist die Art und Weise, wie die Debatte geführt wird, in meinen Augen mehr als problematisch.

Gehen wir für eine Minute mal davon aus, dass Joshua Kimmich kein Profifußballer, sondern Bäcker in Hintertupfingen wäre. Als diese Privatperson ohne nennenswerte öffentliche Aufmerksamkeit hätte Kimmich das Recht auf irrationale Angst. Er hätte das Recht auf Uninformiertheit und Unwissenheit. Er wäre nicht der einzige Mensch, der sich nicht impfen ließ und auch nicht der einzige mit Zweifeln. Er wäre ein Teil der anonymen, nicht-geimpften Masse.  

Betrachten wir nun jedoch die Realität, fällt auf, dass Kimmich eben nicht diese anonyme Person ist. Er ist berühmt, wird beobachtet und als neuer Teamkapitän gehandelt. Er hat eine Vorbildfunktion. In seinem Fall ist das Private politisch. Noch politischer als bei jedem andern Bundesligaspieler. Joshua Kimmich wird zur Konfliktlinie.

Denn es wird hier sicher niemanden überraschen, dass er nicht der einzige ungeimpfte Spieler ist. Nur wurden die anderen eben nicht von Sky befragt und haben auch nicht seine Position. Und noch etwas reizt den Zuschauer: Joshua ist jung, gebildet, gesund und erfolgreich. Das passt nicht in das Bild eines „typischen“ Impfverweigerers. Einer älteren Dame oder einem abgehängten, ungebildeten Mann würde man dieses Verhalten klassischer Weise eher zutrauen. Aber nicht ihm.

Der Punkt ist doch, wir wissen alle, dass die Impfung derzeit die beste Möglichkeit ist, um die Pandemie einzudämmen. Junge, gesunde Menschen – und gerade junge Männer haben die geringsten Probleme, wenn es um Impffolgen geht. Alleine schon, weil der Mann den Standard in der Medizin darstellt. Natürlich ist es Kimmichs eigene Entscheidung, ob er sich impfen lässt oder nicht, jedoch lohnt es sich vielleicht zu hinterfragen, ob die Langzeitfolgen, die er betrachtet, nicht die falschen sind. Denn eine Nicht-Impfung könnte für ihn und sein Umfeld möglicherweise viel prekärer ausfallen. Was ist, wenn er doch an Corona erkrankt und in Quarantäne muss? Ein Schock für den FC Bayern. Was ist mit seinem Image, nimmt es Schaden? Was ist mit den Menschen, die er mit seiner Entscheidung dazu bewegt, sich auch nicht impfen zu lassen? Und was ist, wenn eine Corona-Erkrankung für Kimmich viel schlimmere Langzeitfolgen hat als eine Impfung? Ein Profispieler mit Lungenproblemen, der seine Leistung beim Spiel nicht abrufen kann? Mehr als kritisch für seine Karriere.

Fakt ist, der Fall Kimmich hat eine erneute Diskussion um die Impfbereitschaft angestoßen. Diese Debatte hat auch ihr Gutes, denn mit etwas Glück lässt sich nicht nur der Profispieler von den Vorteilen der Impfung überzeugen, sondern auch Skeptiker, die nun diese Debatte verfolgen.

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Bildquelle: Jin Cheng von Unsplash; CC0-Lizenz