Felix Lamprecht, Luis Haber und Felix Sumbert

„Man muss sich rechtfertigen“: Junges Engagement in der Kirche

Was wäre entscheidend, damit ihr und andere junge Leute in der Kirche bleiben und damit die Kirche zukunftsfähig bleibt?

Sumbert: Das ist genau der Punkt: Wenn schon Leute wie wir, die so engagiert sind, überlegen auszutreten, dann will ich gar nicht wissen, was Jugendliche denken, die vielleicht mal an Weihnachten in die Kirche gehen, die sonst gar nichts mit der Kirche zu tun haben. Das macht mir schon Sorgen. Meiner Meinung nach muss die Kirche demokratischer werden und von oben wirklich der Wille gezeigt werden, sich zu verändern. Und dass auch Aussagen getroffen werden gegen die bisherigen Regeln, dass man nicht nur Konflikten aus dem Weg gehen will und den Weg nicht einfach weiterfahren will. Aber den Willen zur Veränderung, den sehe ich einfach noch nicht.

Haber: Es ist natürlich auch schwierig, weil diese Kritikalität eigentlich nur in Deutschland herrscht und nicht in der globalen Kirche. Beispielsweise in den stark gläubigen südamerikanischen Ländern gibt es diese Kritik einfach nicht, da hat die Kirche keine schrumpfenden Mitgliederzahlen. Deswegen glaube ich, spielt das Ganze in Rom selbst gar keine so große Rolle und das ist ein ganz großes Problem. Für mich persönlich müssen Signale gezeigt werden, dass man nicht geradeaus fährt, sondern eine Kurve anstößt. Die Kurve muss ja nicht im 90°-Winkel sein, die Kirche ist schließlich eine riesige Institution. Aber dass man wenigstens den Willen erkennt zur Veränderung, das wäre wichtig.

Für mich muss die Kirche so sein, dass ich meine Kinder dort gerne hinschicken kann und will.

Felix Lamprecht

Lamprecht: Ich finde diese Metapher sehr schön. So ein großes Schiff kann sich nur schwer drehen, aber wenn man das Ruder gar nicht erst herumreißt, kann es sich gar nicht drehen. Für mich muss die Kirche so sein, dass ich meine Kinder dort gerne hinschicken kann und will, weil ich mit den Werten übereinstimme. Das ist natürlich auf lange Sicht, aber man muss jetzt auf jeden Fall die klare Tendenz erkennen, dass man diesen moralischen Konflikt auskämpft und diskutiert und nicht einfach so weitermacht wie bisher.

Wenn ihr die Entscheidungsmacht hättet: Was wäre der erste konkrete Schritt, den ihr vollziehen würdet, um etwas zu ändern?

Sumbert: Ich würde den lokalen Kirchen mehr Macht und mehr Freiheiten einräumen. Es ist natürlich schon schwierig, das hat auch der Erzbischof gesagt und das sehe ich auch: Wenn die Leute in anderen Teilen der Welt in ihrem Denken nicht auf einer Wellenlänge sind mit uns und wir sagen, wir segnen auf der ganzen Welt homosexuelle Paare, dann kann man doch diese Menschen nicht einfach bevormunden. Aber wenn man es lokal entscheiden könnte, wenn die deutsche Amtskirche mehr Macht hätte, dürften vielleicht auch Frauen Priesterinnen werden und homosexuelle Paare kirchlich heiraten. Am Ende verbindet uns immer noch die Botschaft Jesu und alles drumherum sind vor allem Auslegungssachen von der Bibel, aber das sind vielleicht 10%, bei denen unterschiedlich gedacht wird. Da muss der Papst einfach mal sagen, dass da auch mehr Individualität möglich ist in unseren Kirchen.

Haber: Ich würde das Zölibat fakultativ machen, also dass man, wenn man möchte, auch heiraten darf, und dass auch Frauen Priesterinnen werden können. Ich glaube, dadurch geht automatisch eine Verjüngung im Gedankengut mit einher, weil sich dann eine neue Klientel, Leute wie wir, für den Beruf des Priesters oder dann eben auch der Priesterin interessieren würden. Ich hätte mir ernsthaft überlegt, Priester zu werden, wenn ich dann heiraten und Kinder kriegen könnte, weil ich das für einen tollen Beruf halte, mit Menschen viel zu arbeiten, sich mit Gott zu beschäftigen. Und in den Ländern, in denen das Gedankengut nicht so ist wie bei uns, da könnte man das Zölibat ja leben, weil es dann freiwillig wäre.

Lamprecht: Ich bin nah dran an dem, was Felix sagt. Ich finde aber, dass es eigentlich ein Job der Kirche ist, die moralischen Werte auf allen Teilen der Welt zu verändern und zum Beispiel auch dort die Gleichberechtigung zu fördern, wo sie noch nicht so ausgeprägt ist. Damit man nicht die Vereinigung ist, die da nur hinterher trottet, sondern dass man vielleicht in manchen Teilen der Welt ein Vorreiter wird in den moralischen Vorstellungen und dann Nächstenliebe auch wirklich leben und nicht nur zu predigen.

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Bildquelle: Privat