Felix Lamprecht, Luis Haber und Felix Sumbert

„Man muss sich rechtfertigen“: Junges Engagement in der Kirche

Missbrauchsskandal, veraltete Sexualmoral, keine Segnung homosexueller Paare, undemokratische Strukturen – die Liste ist lang. Was glaubt ihr, wie kann es sein, dass sich so etwas in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft noch hält?

Sumbert: Die Kirche ist einfach schon seit Ewigkeiten da, hat ein sehr großes Vermögen und einen sehr hohen gesellschaftlichen Wert und Einfluss, durch Krankenhäuser, Kindergärten und so weiter. Und auch wenn die Austrittszahlen steigen, gibt es immer noch sehr viele Mitglieder in dieser Glaubensgemeinschaft. Und die Kirche tut sich schwer damit, weil sie einfach keine Demokratie ist, weil Priester berufen werden vom Bischof, also von oben. Die Oberen bestimmen, wer nachkommt, und deshalb sind und bleiben es eben immer alte, weiße Männer. Da kommen moderne Gedanken einfach nicht an. Das haben wir in unserem Gespräch mit dem Erzbischof auch schon gemerkt, dass das Denken über Kirche und wie Kirche abzulaufen hat, einfach unterschiedlich ist. Diesen älteren Männern geht es vor allem darum, die Botschaft Jesu zu vermitteln. Die Gemeinschaft und das Drumherum sind für sie nur sekundär.

Haber: Ich glaube grundsätzlich – klar, da läuft vieles, vieles falsch – wird alles, was wirklich nicht rechtens ist, auch versucht, aufzuarbeiten, mehr oder weniger zumindest. Ich finde, es ist da schwierig, Kirche und Staat zu trennen, der Staat lässt die Kirche ja nicht einfach machen. Ich glaube, dass aber viele Dinge in der Kirche von oben toleriert werden, weil die Sozialisierung sehr engstirnig ist und wenig weltoffen, sondern konservativ. Das wird ja auch ein Stück weit gefördert in der Kirche. Wenn wir alleine schon ins CB (Priesterseminar Collegium Borromaeum, Ausbildungshaus für Priester der Erzdiözese Freiburg, Anm. d. Red.) schauen: Die werdenden Priester, die Haushälterinnen haben, bekocht werden, die werden davon ja geprägt. Ich glaube, da wird vieles sozialisiert, was später dazu führt, dass sich an den Werten und Strukturen der Kirche eben nichts ändert. Dass aber bei vielen Dingen weggeschaut wird, kann ich mir selbst nicht erklären.

Wollen etwas verändern: die Pfarrgemeinderäte Felix Lamprecht, Luis Haber und Felix Sumbert (v. l. n. r.)

Sumbert: Vermutlich auch, weil sich die Kirche nicht ändern muss. Die Kirche hat genug Geld, es hat etwas von einer Wohlfühl-Oase und zum Beispiel im Priesterseminar leben sie halt in ihrer Blase. Da ist alles schön und gut, man kann sich Haushälter leisten. Man sieht die Probleme teilweise gar nicht, will sie vielleicht auch gar nicht sehen.

Haber: Und sieht vielleicht auch einfach die Kritikalität nicht. Der Erzbischof hat uns das ja auch gesagt: Er weiß, was wir denken, wie wir das sehen. Aber er sieht, glaube ich, nicht, wie gravierend dieses Problem ist.

Die Kirche hat zwar für einige noch einen hohen Wert, aber die Mitgliederzahlen gehen zurück. Die Kirchenaustritte nehmen seit Jahren zu. Habt ihr schon einmal mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche auszutreten? Und was hält euch bis heute in der Kirche?

Lamprecht: Ich habe da vielleicht die extremste Position von uns dreien. Ich hatte mich auf ein duales Studium beworben und ab dem Moment hätte ich angefangen, Kirchensteuer zu zahlen. Dann wäre ich aus der Kirche ausgetreten. Da ich jetzt doch nicht dual studiere, habe ich beschlossen, in der Kirche zu bleiben und dem ganzen einfach noch Zeit zu geben. Aber bei mir ist der Plan, aus der Kirche auszutreten, sobald ich das erste Mal Kirchensteuer bezahlen muss. Durch diese neuen Umstände hat die Kirche quasi noch einmal drei, vier Jahre mehr bekommen, um sich so zu ändern, dass ich gerne in diesem Verein bleiben würde.

Sumbert: Da bin ich vermutlich das andere Extrem. Ich zahle schon heute Kirchensteuer, und wesentlich mehr, als ich gerne bezahlen würde. Wenn es freiwillig wäre, also wenn ich einen monatlichen Betrag festlegen könnte, wäre der deutlich niedriger, als er heute ist. Und ich tue mich schon schwer damit, an wen ich das Geld da eigentlich zahle. Einerseits unterstütze ich damit die Gemeinde und das Leben vor Ort, was ich ja unterstützen will, woran ich auch teilhabe. Andererseits unterstützt man damit natürlich auch diese teils homophoben Gedanken, die Diskriminierung von Frauen und andersdenkenden Menschen. Denn das sind ja auch die Werte, die in der Kirche geteilt werden. Ob ich austreten kann? Ich glaube ehrlich gesagt nicht, weil ich mich in der Kirche so tief verwurzelt fühle, weil ich der Kirche auch so viel zu verdanken habe, durch die Jugendarbeit und so weiter. Ich glaube, ich werde eher einfach ein unbequemer Katholik bleiben und meine Meinung offen kundtun. Ich glaube nicht, dass ich nie austreten werde, aber im Moment sehe ich das noch nicht.

Ich würde gerne kirchlich heiraten. Aber dafür brauche ich eigentlich keine katholische Amtskirche.

Luis Haber

Haber: Ich sehe mich eher beim Felix Sumbert. Der Punkt ist folgender: Ich wäre schon lange ausgetreten, wenn man einfach in der eigenen Gemeinde eintreten könnte. Aber ich finde, die Arbeit, die unsere Gemeinde macht, die Werte, die die Gemeinde lebt, die Gemeinschaft, die die Gemeinde hat, das ist für mich größer als die negativen Aspekte, die die Amtskirche mit sich bringt. Ich zahle jetzt zwar auch noch keine Kirchensteuern, deswegen tut es mir finanziell noch nicht weh. Für mich ist außerdem ein schöner und wichtiger Punkt, dass ich gerne kirchlich heiraten würde, weil ich mein Ehegelübde auch vor Gott schließen will. Und da brauche ich eigentlich keine katholische Amtskirche dafür, sondern da brauche ich nur meine Gemeinde. Aber das kaufst du ein Stück weit halt mit. Man unterstützt natürlich auch die Gemeinde, wenn man in der Kirche bleibt und Kirchensteuern zahlt, weil man pro Gemeindemitglied Geld bekommt. Das sind für mich Sachen, bei denen ich sage: „Eigentlich will ich nicht austreten.“ Aber wie Felix sagt: Nur weil man in der Kirche drin ist, heißt das nicht, dass man alles gut findet. Dann versuche ich eher, mich offenkundig zu wehren und am Gesamtkonstrukt etwas zu ändern.