Eine Idee Liebe: Warum hängen wir an Menschen, die uns nicht (mehr) guttun?
Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?
Nicht immer sind wir von Menschen umgeben, die uns guttun. Oft sind es gerade die manipulativen, egozentrischen und launischen Freunde, Partner und Familienmitglieder, von denen wir (vielleicht gerade deshalb) nur schwer wegkommen. Doch warum hängen wir so sehr an Menschen, die uns nicht guttun? Und wäre es nicht besser, sich von ihnen zu distanzieren?
Ich möchte das Wort toxisch in diesem Kontext vermeiden, weil es mittlerweile von überall her tönt und dabei so beiläufig fällt, als gehörte es zum guten Ton, alles, was sich gerade nicht gut anfühlt, als toxisch zu beschimpfen. So als klaffte zwischen gesund und toxisch eine gähnende Leere. Dabei läuft man Gefahr, tatsächlich toxische Beziehungen zu verharmlosen. In diesem Artikel soll es jedoch vor allem um die Abstufungen gehen. Um einseitige Freundschaften, um schlechte Zuhörer, ums nicht für einen da sein, wenn man auch mal jemanden braucht, ums Einsamsein und ums Einfordern.
Vor einigen Wochen habe ich über soziale Chamäleons geschrieben und irgendwie scheint mir das Thema noch im Magen zu liegen. Vielleicht weil ich selbst Schwierigkeiten damit habe, Raum einzunehmen, vielleicht aber auch, weil ich gerade dabei bin, einiges zu überdenken. Schließlich mistet man ja alles Mögliche aus – Klamotten, Schubladen, Erinnerungen. Warum nicht auch Freunde, Familie, Beziehungen? Ich habe festgestellt, dass es nach Jahren noch immer so kommt, dass ich mich an Menschen klammere, die mir eigentlich gar nicht guttun, für die ich da bin, aber sie nicht für mich. Und nicht das erste Mal frage ich mich, warum ist das so?
Soziales Ausmisten
Eine gute Freundin von mir meinte letztens: „Ganz ehrlich, lieber bin ich in keiner Gesellschaft als in schlechter.“ Dieser Satz ist mir hängengeblieben. Denn hat sie nicht recht damit? Muss man manchmal vielleicht Platz schaffen, um Neuem Raum zu geben?
Natürlich machen auch Freundschaften bestimmte Phasen durch, mal macht man mehr mal weniger miteinander, mit der Familie bekommt man sich ohnehin öfter in die Haare. Aber wenn man über längeren Zeitraum einfach merkt, das tut mir nicht mehr gut, das ist ungerecht verteilt, dann sollte man sich das Recht herausnehmen dürfen, sich von gewissen Personen zumindest zu distanzieren. Ist man sich das selbst nicht irgendwo schuldig?
Ich erinnere mich an eine Zeit in der Realschule, wo ich mir besonders schwergetan hatte, weil ich mich mit dem Teenie-Drama, dem Hierarchiedenken, dem Verstellen, was eben so üblich ist unter Pubertierenden, nicht identifizieren konnte. Als meine Angststörung ihren Höhepunkt erreicht hatte, konnte ich nicht anders. Ich war gezwungen mich von alldem zu lösen. In Krisen zeigt sich, wer die wahren Freunde, Partner und Familienangehörigen sind. An denen hielt ich mich und ansonsten genoss ich den Raum, den ich für mich allein hatte, den ich ganz und gar ausfüllen konnte. Danach war ich mehr Ich, als ich mir das jemals unter Leuten zugestanden hatte. Das trug ich nach außen und als ich später ans Gymnasium wechselte, lernte ich endlich Leute kennen, die mich um meinetwillen mochten, nicht wegen meines Anpassungsvermögens.