Laktoseintolerant, allergisch, ausgebrannt: Ist die Generation Y verweichlicht?

Dass die Generation Y nicht gerade der Liebling der Arbeitgeber ist, stellt kein Geheimnis dar. Irgendwie ist sie nämlich nicht so karrieregeil und bereit, ihr Leben vollständig für die Arbeit aufzuopfern, wie noch ihre Eltern- und Großelterngenerationen. Faul seien die Millennials deshalb, wird immer wieder gewettert. Und das ist noch längst nicht der einzige Grund für unseren schlechten Ruf. Wir seien die „Generation why?“, die alles hinterfragen muss und sich im Gedankenlabyrinth verliert, anstatt produktiv zu sein oder unser privilegiertes Leben zu genießen. In Kriegs- und Nachkriegszeiten war für die ständige Sinnsuche schließlich auch kein Platz und die Menschen haben dennoch – mehr oder weniger zufrieden – ihr Leben auf die Reihe bekommen. Und ja, die „Generation beziehungsunfähig“ sollen wir auch noch sein. Komisch nur, dass der Trend wieder zurück geht zur Ehe und klassischen Familie. Ganz so schlecht wie ihr Ruf, ist die Generation Y auf den zweiten Blick also vielleicht doch nicht…oder zumindest nicht in allen Belangen.

Die Millennials sind faul und langweilig

Auch, wenn also der Unmut der Arbeitgeber immer wieder Wellen schlägt: Eigentlich ist die Generation Y gar nicht so anders als ihre Vorgänger. Sie befindet sich nur eben in der luxuriösen Lage namens Fachkräftemangel. Und wieso keine Ansprüche stellen, wenn wir welche stellen können? Wieso sollten wir 60 Stunden pro Woche mit unbezahlten Überstunden an einem dunklen Schreibtisch sitzen und eine eintönige Arbeit verrichten – wenn wir nicht müssen? Zumal Privilegien, wie angemessene Gehälter oder sichere Arbeitsplätze, mittlerweile ohnehin der Vergangenheit angehören. Wenn uns also die Arbeitgeber nicht mehr so entgegen kommen wie einst unseren Eltern oder Großeltern…wieso sollten wir dann selbiges für sie tun?

Mit einer Rebellion oder einem Kampf gegen das System hat das reichlich wenig zu tun. Im Gegenteil: Die Millennials gehen nicht auf die Straßen und tragen keine bunten Haare. Sie feiern keine Orgien und haben kein Interesse am Rauchen oder Komasaufen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eigentlich sind wir nämlich alles andere als Revolutionäre oder schräge Vögel – wie auch eine Studie des Sinus-Instituts kürzlich belegt hat. Wir sind verweichlichte Spießer lautete damals stattdessen das Fazit. Aber stimmt das wirklich?

Die Generation Y ist angepasst – na und?

Früher war es die Aufgabe der jungen Menschen, das System umzuwälzen. Sie brachten neue Ideen, schafften Althergebrachtes ab oder rebellierten einfach gegen alles und jeden – ohne selbst zu wissen, welches eigentlich ihr Ziel ist. Die Jugend der Generation Y ist mittlerweile aber vorbei und die großen Wellen sind ausgeblieben. Die Millennials haben ihre jungen Jahre lieber vor der PlayStation verbracht als auf den Straßen und sind mittlerweile untergetaucht in ein spießbürgerliches Leben. Die bereits zitierte ZEIT-Vermächtnis-Studie wirft uns sogar vor: Die Generation Y existiert überhaupt nicht!

Na und? Vielleicht hatten wir ja einfach keinen Grund, um gegen das System zu rebellieren. Vielleicht liegt es daran, dass wir in ruhigen Zeiten aufgewachsen sind. Vielleicht haben wir auch einfach genossen, dass zumindest für einige Jahre mal alles gut war. Natürlich gibt es stets Verbesserungsbedarf und niemand kann uns vorwerfen, wir seien nicht auf die Straßen gegangen gegen Rechtsextremismus oder Stuttgart21 – um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Millennials sind durchaus politisch aktiv. Aber in Zeiten des Friedens, wo der Klimawandel noch ein untergeordnetes Thema war und die Wirtschaft florierte, war es auch einfach schön, die Kindheit sowie Jugend unbeschwert genießen zu können. Und nun, da die scheinbar „heile Welt“ wieder ihre Schattenseiten zeigt, geben wir den Kampf nur allzu gerne an unsere Nachfolger ab – die Generation Z mit ihrer wohl berühmtesten politischen Vertreterin: Greta Thunberg.

Ein stummer Kampf gegen das System

Das heißt nicht, dass wir uns jetzt sowie in Zukunft aus der Verantwortung ziehen sollten. Doch die Generation Y aufgrund ihrer angepassten Vergangenheit zu kritisieren oder als nicht existent zu degradieren, ist unfair. Denn wir haben gekämpft und tun es immer noch…nur eben nicht mit erhobenen Schwertern, sondern als stummer Protest. Wieso sonst würden sich die Arbeitgeber so aufregen über die „faulen“ Millennials? Weil wir uns nicht mehr zum Sklaven machen lassen für Großunternehmen oder materiellen Wohlstand. Die Generation Y lebt freier denn je zuvor. Immer mehr Menschen entscheiden sich für die Arbeit als Freelancer. Einige von ihnen ziehen als digitale Nomaden um die Welt. Andere fordern von ihren Arbeitgebern Möglichkeiten zum Downshifting oder für ein Sabbatical ein. Der Kampf wurde und wird ausgefochten. In ihren Häusern und Gärten mit Ehefrau oder -mann und Kindern sitzt also eine Generation, die durchaus einen stummen Kampf gegen das System führt. Sind wir also doch nicht verweichlicht?

Die Generation Y fordert…aber fordert nicht ein!

Jein! Fakt ist: Die Generation Y existiert und hat einen Begriff hervorgebracht, der sich „New Work“ nennt. Wir haben also eine neue Ära in der Arbeitswelt eingeläutet. Wir haben das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft vorangetrieben. Wir haben dafür gesorgt, dass immer mehr Menschen von der Zigarette wegkommen oder zu weniger schädlichen Alternativen wechseln. Wir haben das Komasaufen „uncool“ werden lassen. Wir haben Veganismus zum Trend gemacht.

Aber…es gibt bekanntlich immer ein Aber: Wir müssen zugeben, dass wir es dennoch verpasst haben, klare Statements zu setzen. Anstatt zu den Arbeitgebern zu gehen und mit der Faust auf den Tisch zu hauen, nehmen wir eine Auszeit nach der anderen für die Suche nach dem Sinn des Lebens und finden ihn doch niemals. Anstatt von den Politikern strenge Richtlinien für die Tierhaltung einzufordern, wurde das vegane Leben eher zum coolen Lifestyle oder Wundermittel für die nächste Diät. Und anstatt all die Möglichkeiten, welche unser privilegiertes Leben bietet, wirklich zu nutzen, haben wir uns das Jammern zur Gewohnheit gemacht. Völlig vorbei an der Realität zielen solche Studien also nicht. Wir haben viele Schritte in die richtige Richtung gemacht, sind den Weg aber nie bis zu Ende gegangen.

Verweichlichung in Form von fehlendem Mut

Der größte Fehler der Generation Y ist also, nicht über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Ja, es leiden immer mehr Menschen unter Allergien oder Intoleranzen. Ja, das Burnout-Syndrom ist quasi zur neuen Modekrankheit mutiert. Und ja, es gibt viele Gründe zum Jammern wie den Klimawandel, Terrorismus, Armut, Hunger, Tierquälerei, verschmutzte Ozeane und, und, und…

Was uns allerdings fehlt, ist der Mut, auch tatsächlich auf die Straßen zu gehen oder moderne Möglichkeiten wie das Internet zu nutzen, um eine Änderung herbeizuführen. Wir sind allergisch oder intolerant, weil die Luft verschmutzt, das Klima wärmer und das Essen mit Chemikalien belastet ist. Das Ausgebranntsein kommt durch immer höhere Anforderungen im Job bei immer niedrigerem Einkommen. Ein Eigenheim kann sich kaum noch jemand leisten und das Wetter spielt verrückt. Wir jammern? Ja, weil wir viele Gründe dazu haben!

Die „verweichlichte“ Generation muss endlich kämpfen

Nur müssten wir eben auch aufstehen und etwas dagegen tun. Es darf nicht beim Jammern bleiben, ansonsten steht uns das Etikett „verweichlicht“ tatsächlich sehr gut. Stattdessen müssen wir endlich an unserem Image feilen und unsere Identität finden. Wir sind angepasst, ja, aber auch gesundheitsbewusst, tierfreundlich, „grün“ und frei. Wir haben unsere Besonderheiten und sollten stolz darauf sein. Vielleicht ist es das ewige Gejammer über die faule, nicht existente oder verweichlichte Generation Y, die uns gelähmt hat.

So oder so, gilt es jetzt den Blick nach vorne zu richten und die Zukunft zu einem besseren Ort zu machen. Das können und sollten wir nicht der Generation Z alleine überlassen. Nur so kann das verweichlichte Gejammer aufhören und die Millennials zeigen endlich, was wirklich in ihnen steckt. Ansonsten wird die Debatte über den schlechten Ruf und die Wirklichkeit der Generation Y wohl so lange weitergehen, bis sie alt ist, immer noch nur jammert und zunehmend in Vergessenheit gerät.

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Bildquelle: Marcel Strauß über Unsplash