Latina

„Ich stehe auf Latinas“ – Ist es rassistisch, einen Typ zu haben?

Über die unterbewusste Zuschreibung von Eigenschaften

Meine Freundin Marina steht nur auf schwarze Männer. „Ich hab das Gefühl, dass sie mir mehr erzählen können“, sagt sie. Und wer kann einem viel erzählen? Jemand, der sehr anders lebt als man selbst. Anders als die zurückhaltende, wohlbehütet aufgewachsene Marina.

„Er muss auf jeden Fall so ein Schwiegersohn-Typ sein“, sagt Luana, die nur weiße, blonde Kerle mit Babyface datet. Und wie ist der perfekte Schwiegersohn? Zuverlässig und lieb.

„Ich brauche immer ein bisschen Temperament bei Frauen“, sagt Georg – der besonders auf Latinas abfährt.

Dass man auf einen bestimmten Typ steht und auf andere eben nicht, scheint vielleicht auch mit den Eigenschaften zusammenzuhängen, die Menschen aufgrund ihrer optischen Merkmale auch im 21. Jahrhundert noch immer unterbewusst zugeschrieben werden. Beispielsweise werden Menschen asiatischer Herkunft häufig als Genies betrachtet, die zudem vorsichtig und zurückhaltend sind.

Latinos, Latinas und schwarze Menschen gelten hingegen eher als temperamentvoll und als Bad Boys bzw. Bad Girls – bedauerlicherweise, denn natürlich bringt das, abgesehen vom eventuellen Sexappeal, so gut wie ausschließlich Nachteile mit sich. Stichworte: Polizeigewalt, Gerichtsverhandlungen, Wohnungssuche.

Und ehrlich gesagt bin ich selbst wahrscheinlich auch nicht frei von diesen unterbewussten stereotypischen Zuschreibungen. Denn ich stehe quasi auch nur auf Typen, die wie „typische“ Latinos oder Südeuropäer aussehen. Und, Überraschung: Eine der Eigenschaften, die mir bei einem Mann am allerwichtigsten ist, ist Temperament.

Oder ist das alles nur Zufall?

Andererseits kann man sicher auch argumentieren, dass es sich bei einem optischen Typ um nicht mehr handelt als eine simple Vorliebe, die rein gar nichts mit irgendwelchen Zuschreibungen zu tun hat. Und: Egal, wie es nun sein mag – letztendlich kann man nichts daran ändern, worauf man steht oder eben nicht.

Abgesehen davon steht man doch außerdem ohnehin nicht auf jeden Menschen. Schließlich würden doch die wenigsten von uns sagen, dass es ihnen völlig egal ist, ob jemand groß oder klein ist. Oder ob jemand korpulent, muskulös oder dünn ist. Oder ob jemand ein natürlicher Typ ist oder gefärbte Haare, Hyaluron in den Lippen und Silikon in den Brüsten hat. Oder ob jemand volltätowiert ist oder nicht. So gesehen sind Haut-, Augen- und Haarfarbe – also die Merkmale, die einen bestimmten „optischen Typ“ im herkömmlichen Sinne ausmachen – auch nur einige von vielen.

Und so abgedroschen es auch klingt: Das Wichtigste ist letztendlich doch sowieso das, was hinter der hübschen Fassade steckt.

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Bildquelle: Marcelo Chagas via Pexels; CCO-Lizenz