Hip-Hop Konzert

Rap im Wandel – Was verraten uns die Lyrics?

Rap-Lyrics befinden sich im Wandel: In den 2010er Jahren inszenierten sich deutsche Rapper gerne als Mafiabosse, deren Statussymbole vor allem Drogen, Geld, Autos und Frauen waren. In diesem Jahrzehnt ebbt das Phänomen ab und die Themen wandeln sich entscheidend, wenn auch nicht drastisch. Aktuell machen sich 14- bis 29-Jährige große Sorgen um ihre Zukunft. Gründe dafür sind vor allem die Inflation, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel. Hip-Hop wird oft als Sprache der Jugend wahrgenommen und Songtexte können aufschlussreiche Indikatoren für den Gemütszustand der jungen Generationen sein. Musik kann hier zum Verarbeiten dieser Gefühle dienen, aber auch als Flucht aus den Gedanken an eine düstere Zukunft.

Hip-Hop und Rap sind musikalisch gesehen viel breiter aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Den Sounds lassen sich nicht mehr so leicht bestimmte Labels aufdrücken, denn es gibt zahlreiche Subgenres, die wiederum miteinander verschwimmen. Da fließen gerne mal Techno-Beats in Rap-Songs ein, Gitarrenriffs schmücken das Intro und der Cloud-Rap klingt nach Indie-Song. Im Folgenden lässt sich der Begriff „Hip-Hop“ also als sehr weit gefasst verstehen. Über die Statussymbole des Hip-Hops lässt sich viel diskutieren. Für die einen stehen sie im Zeichen von Gewalt- und Kriminalitätsverherrlichung, für die anderen ist es ein Aufzeigen von sozialen Missständen. Wie steht es aktuell um Gewalt, Sexismus, Drogen und Autos im Hip-Hop?

Gewalt – „Ist die Waffe überhaupt echt?“

Texte über das Kalaschnikow-Sturmgewehr im Kofferraum und den Schlagring an der Hand gehören zumindest bei Gangsta-Rappern der 187 Strassenbande (vor allem bekannt: Maxwell, Bonez MC und GZUZ) seit Jahren zum guten Ton. Eine Anklage wegen Drogenbesitzes und dem Feuern einer Schreckschusspistole polieren im Jahr 2022 das verblassende Image der Hamburger Bad Boys nur geringfügig wieder auf. Das Imponieren mit Gewalt gerät aus der Mode – zum Glück! Im Gegenteil, das beliebte Berliner Rap-Ensemble um die Jungs von BHZ ordnet den Lifestyle der Jugend präzise ein:

„Wir lungern auf Straße, aber wir sind keine Gangster“

– Flasche Luft (BHZ)

Der frische Wind im Deutschrap kommt vor allem aus Berlin, aber auch Köln, Hamburg und Wien. Die Wiener Newcomerin Eli Preiss mischt das Rap-Game auf und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie spottet unter anderem über genau die Szene-Kolleg*innen, die mit Waffen angeben:

„Und was für Gang, homie? Ist die Waffe etwa echt?

Wir sind in Wien, oida, ziemlich weirder flex“

– Glühheisse wüste (Eli preiss)

Sexismus – weniger ist immer noch zu viel

Die angesprochene 187 Strassenbande wird auch immer wieder mit Sexismusvorwürfen konfrontiert. Die Frage, ob diese gerechtfertigt sind oder nicht muss man sich bei Lines wie: „Faule Schlampe, geh zum Sport und mach dein’n Hintern mal zum Arsch“ gar nicht erst diskutieren. Die Releases der letzten Jahre zeigen aber, dass selbst bei den Gangsta-Rappern sexistische Zeilen zurückgeschraubt werden. Da klingen auf dem neuesten Album Zeilen wie: „Und deine Bitch denkt noch immer, sie ist Cardi B“ schon fast freundlich. Bei Hip-Hop-Artist, die jenseits der 2000er geboren sind, richten sich die Lyrics sogar aktiv gegen Sexismus, wie beispielsweise das Dresdner Trio 01099 zeigt:

„Ja, ist schon klar, du hast dir nichts bei gedacht, aber

Das ist sexistisch und nicht anders“

– Sportlich (01099)

Wichtig zu beachten ist jedoch, dass andere Lyrics noch keine Veränderung der tatsächlichen Handlungen bedeuten, wie die #DeutschrapMeToo-Bewegung beweist. Auch die Einsicht, dass Hip-Hop nicht nur Männersache ist, gehört zum Wandlungsprozess. Die deutsche Indie-Pop-Band Blond empört sich in ihrem Song „Männer“ über Festival Line-Ups, die, egal ob bei Hip-Hop-Veranstaltungen oder anderswo, meist überwiegend männlich besetzt sind. Auch die bereits erwähnte Rapperin Eli Preiss verabschiedet den Stereotyp der unterwürfigen Frau im Musikbusiness und rappt feministische Lines wie:

„Vielleicht krieg ja ich Head dafür, dass ich dich groß mach“

– Glühheisse wüste (Eli preiss)

Drogen – Rap noch immer im Dauerrausch?

Das Besingen von Drogen und Rauschzuständen könnte wohl eines der zeitlosesten Elemente im Hip-Hop sein. Doch Rausch ist nicht gleich Rausch. Es ziehen sich dabei zwei Paradigmen durch die Lyrics, die sich teilweise auch innerhalb ein und desselben Songs abwechseln. Auf der einen Seite ist da die Liebe zum Rausch, die Suche nach dem größten High, das das höchste der Gefühle in einem auslöst. Auf der anderen Seite werden Suchtprobleme, der Kontrollverlust und suizidale Gedanken angesprochen. Selbst die harten Jungs der 187 Strassenbande besingen die negativen Auswirkungen ihres Drogenkonsums:

„Kipp das Tilidin weg,

Alles in meine Toilette, weil ich will es nicht mehr,

Bin voll am Ende bitte gib mir ein Bett“

– Tilidin Weg (Bonez MC)

Grundsätzlich scheint es, als würden die eigenen Drogenexzesse häufiger kritisch hinterfragt werden, wie auch die BHZ-Crew im Song „Overdose“ darlegt. Oftmals ist auch eine gehörige Portion Selbstironie dabei, wenn zum Beispiel Majan singt: „Officer nennt mich Naseweiß und er weiß gar nicht wie recht er hat“. Oder wenn Eli Preiss‘ Wiener Kollege Bibiza textet: „Ich glaub das kaum, ich will kein‘n mehr bau’n“.

Autos – Wer braucht schon einen Benz?!

Auch der Benz in der Einfahrt ist ein Rapsymbol auf dem absteigenden Ast. Verschwunden ist das Auto noch nicht aus den Songs, aber es scheint, als wäre die Marke oftmals egal, solange man damit schneller fahren kann, als das Tempolimit vorschreibt und genug Drogen in den Kofferraum passen. Das Schnellfahren in Songtexten ist besonders interessant, da es sich auf den ersten Blick nicht wesentlich von den Stimmen der Bewegung Fridays for Hubraum unterscheidet. Obwohl die meisten Hip-Hop-Bands sich politisch eher ins progressive, linke Spektrum einsortieren lassen, könnte man meinen, dass es sich um leidenschaftliche Autobahnraser*innen handelt. Bei genauerer Betrachtung dreht es sich aber hierbei auch um einen Rauschzustand, den man bei Drogen ähnlich wahrnimmt wie beim Rasen: Hauptsache man flieht aus der tristen Lebensrealität. Auf welche Art man dabei an seine Grenzen geht, ist schon fast nebensächlich. Es ist keine Angeberei, sondern eher das Zeichen einer Jugend, die immer öfter das Gefühl hat, nichts mehr zu verlieren. Da verwundert es nicht, dass Longus Mongus (Mitglied von BHZ) auch retrospektiv Reue zeigt, wenn er rast:

„Wieder mal gebrettert, nein das war doch keine absicht, nein“

– flasche luft (BHZ)

Im Hip-Hop ist das Auto aber kein Muss mehr, um cool zu sein und sich Respekt zu verdienen. Ein guter Freund der BHZ-Jungs und ebenfalls beliebter Rapper ist der Kölner Lugatti . Er betont in mehreren Songs, wie gern er E-Scooter fährt. Obwohl sein massives Erscheinungsbild den E-Scooter klein aussehen lässt, passt das irgendwie zusammen.

Er distanziert sich explizit von anderen Hip-Hop-Stars, die sich ein dickes Auto holen, denn er hat andere Prioritäten:

Und andre Rapper hol’n sich Leihwagen

Gatti, fiji hol’n sich lieber Kebapland ein’n Ayran

Sieh uns auf E-Roller vorbeifahr’n

Mit deiner wacken Scheiße kannst du niemanden begeistern

– Ayran (toobrokeforfiji & Lugatti)

Die Berliner New Wave – Antrieb für den Wandel

Getragen werden diese Veränderungen von der Berliner New Wave, zu der man unterschiedlichste mehrdimensionale Künstler und Künstlerinnen zählen kann. Hiphop.de beschreibt den Lifestyle jener als „Ein paar Freunde in Berlin, viel Freizeit und das Talent, eben jenen Lebensstil zwischen Crewlife, Spätis und Wake&Bake auf minimalistisch-zurückgelehnten Trap-Beats zu zelebrieren.[…] Es wird geflext mit Altbauwohnungen und Markenklamotten“. Von Waffen, dicken Karren und objektifizierten Frauen ist da kaum noch die Rede – gerne weiter so!

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Bildquelle: Bild von Jorge Jimenez auf Pixabay; CC0-Lizenz