Liebeserklärung an: Den Tatortreiniger

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

 

Ein weißer Lieferwagen, ein Duftbaum der Sorte Sportfrische, Zigarette, Kaffee und Chemikalien. Was klingt, wie der Abspann eines eher mäßig guten Krimis, ist in Wahrheit der Beginn der skurrilen Serie Tatortreiniger. Heiko Schotte, der Tatortreiniger höchstpersönlich, kommt dann, sobald die Polizei gegangen ist und räumt auf. Meist nicht nur die Wohnung, sondern auch das Leben der Leute, die er trifft, und denen du nie begegnen willst. Er befindet sich deshalb schneller in merkwürdigen Situation als du „WG-Putzplan“ sagen kannst.

 

Lieber Tatortreiniger,

 

deine Arbeit beginnt da, wo andere sich vor Entsetzen übergeben. Du räumst auf, was andere lieber nicht wegputzen möchten. Doch die Arbeit ist das Letzte, um das es sich eigentlich dreht. Blutlachen auf dem Teppichboden sind das kleinste Problem für dich. Zu unserer allgemeinen Belustigung sind deine größten Herausforderungen die Menschen, denen die schmutzigen Teppichböden gehören. Sie alle gehen dir herrlich auf die Nerven, wenn du eigentlich nur schnell deine Arbeit machen willst, so dass du noch pünktlich zum Fußball oder zur Wattolympiade kommst.

Sozial wirkst du manchmal ein wenig inkompetent, was dich aber in Wahrheit nur noch liebenswürdiger macht. Anders als für die Verwandten, Freunde und Angehörigen sind die Überreste der Leichen für dich nur ein bisschen Dreck. Und „Dreck ist ja sowieso nur Materie am falschen Platz“ – also beseitigst du ihn. Das ist aber gar nicht so einfach, wenn dich dauernd jemand von der Arbeit abhält oder dir sagt, wie du sie zu tun hast. Verständlicherweise bist du dann mehr als genervt und trotzdem muss ich dich für deine Geduld bewundern. Die skurrilen Gespräche, die daraus entstehen, haben als Lieblingsthema nichts weniger als den Sinn des Lebens. Du redest über Gott und die Welt, planst deine Bestattungsvorsorge oder diskutierst politische Ansichten. Dass du oft mit dir selbst ins Wanken gerätst, überspielst du gern, so wie jeder von uns es auch tun würde.

 

Nicht die hellste Kerze auf der Torte

 

Mit nahezu naiver Einfachheit reichen dir Autos, Frauen und Fußball zu deinem Glück und du scheust dich nicht, deine Zweifel zu äußern, sobald jemand das anders sieht. Du trittst für deine Ansichten ein und verteidigst sie vor jedem. Deine wahren Waffen sind neben Desinfektionsmittel und Chemikalien in allen Farben des Regenbogens vor allem der passende Spruch zu jeder Gelegenheit. Ich kann dir nur aus tiefstem Herzen zustimmen, wenn du sagst:

„Lieber bin ich ein bisschen weniger glücklich, schlaf‘ dafür aber ’ne Stunde länger.“

Am Ende kommst du dann zu der Ansicht, dass Menschen eben auch nur Menschen sind, egal, ob sie Prostituierte, Religionsanbieter oder Zauberer sind. Diese einfache Weltanschauung ist zwar für viele nicht nachvollziehbar, doch ich verstehe vollkommen, was du meinst. Alles, was du willst, ist vor dich hinzuleben und darum beneide ich dich. Leben und leben lassen. Du hast kein Abitur und bist stolz darauf und wenn auch nicht für alle, dann zumindest doch für viele ein Vorbild. Und damit meine ich nicht die Mütter, die sich wünschen, dass ihre Söhne doch endlich mal wieder Ordnung ins Kinderzimmer bringen. Sondern die, die du ermunterst, auch mal den Mund aufzumachen, wenn ihnen etwas nicht passt und für das einzustehen, was einem wichtig ist.

 

Weisheiten zwischen Schutzanzug und Atemmaske

 

Dank dir weiß ich mehr über Blut und die Zersetzung des menschlichen Körpers als mir meine Bio- und Chemielehrer je beibringen konnten. Du erteilst Unbelehrbaren eine Lektion in Geschichtsunterricht und bringst rechtsradikale Vereine dazu, ihr gesamtes Wehrmachts-Inventar abtransportieren zu lassen. Ja, aufräumen beherrschst du perfekt.

Du bist eine wundervolle Form der Prokrastination. Statt selbst den Lappen und das Kehrblech zu schwingen, ist es doch viel angenehmer, dir beim Putzen zuzuschauen, schön bequem von der Couch aus. So fühle ich mich, als hätte ich selbst gerade den Frühjahrsputz meines Lebens gemacht. Dieses befriedigende Gefühl der Sauberkeit soll für mich aber nicht mehr lange anhalten, denn ab dem 19. Dezember nimmt die Reinigungsfirma Lausen keine neuen Aufträge mehr an. Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist, der Meinung ist Ingrid Lausund, deine Schöpferin.

Zu schade, dass du jetzt gehst, lieber Tatortreiniger. Aber ich wüsste da noch die ein oder andere WG, die einem Tatort gleicht und bei der ein bisschen Putzen bitter nötig wäre.

 

Die zwei letzten Folgen der Serie erscheinen am 19. Dezember 2018 ab 22 Uhr im NDR.

 

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Bild: NDR/Thorsten Jander