Kondom abgezogen: Mann wird wegen Stealthing verurteilt

Im Herbst 2017 treffen sich eine Frau und ein Mann zu einem Date. Sie ist Anfang 20, er Mitte 30. Es läuft gut, sie haben Sex, geschützt mit Kondom, einvernehmlich. Zumindest so lange, bis er heimlich das Kondom abzieht. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sprach den Mann schuldig, zum ersten Mal wird jemand wegen des sogenannten Stealthings in Deutschland verurteilt. Doch das Urteil ist umstritten.

 

Vergewaltigung, ja oder nein?

 

Die Frage, die die Richter und Schöffen beantworten mussten: War es Vergewaltigung? Das setzt ein Eindringen in den Körper voraus und wäre gegeben. Die Entscheidung des Gerichts: Nein. Der Geschlechtsverkehr geschah unter der Zustimmung von beiden, das heimliche Weglassen des Kondoms zählt dem Gericht nach „nur“ als unerlaubte sexuelle Handlung, mit dem die Frau nicht einverstanden war.

Der Mann habe während eines Stellungswechsels das Kondom unbemerkt abgezogen und den Sex ungeschützt von hinten fortgesetzt. Das bemerkte die Frau allerdings erst, nachdem er seinen Höhepunkt erreicht hatte. Die Gefahr für ungewollte Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten war dementsprechend hoch. Sie fühlte sich missbraucht, verließ seine Wohnung und erstattete Anzeige bei der Polizei.

Sexueller Übergriff lautet der Tatbestand den Richtern nach, «weil eine Vergewaltigung eine besonders schwere Form des Missbrauchs darstellt. Dies sah das Gericht aber nicht gegeben», so die Gerichtssprecherin zum Spiegel. Dem Sex stimmte sie zu, allerdings nur mit Kondom. Dass hier der Tatbestand einer Vergewaltigung nicht vorliegt, ist umstritten: Seit 2016 gilt im Sexualstrafrecht der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Seitdem muss sich das Opfer nicht auch noch körperlich wehren, damit es vor Gericht als Vergewaltigung zählt.

Jetzt wurde der Mann zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt und muss der Klägerin rund 3000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

 

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Bildquelle: Adam Edmond via Flickr unter CC BY 2.0-Lizenz