Liebeserklärung an: Das Feierabendbier

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Feierabend, wie das duftet…

Für so Wörter wie Feierabend, die wirklich nur im Deutschen ihren ganzen linguistischen Zauber entfalten können, liebe ich ja die deutsche Sprache. FEIER-ABEND. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – es duftet nämlich nicht nur, es klingt auch so schön. Und zutreffend ist es auch noch. Denn wenn sich der Arbeitstag dem Ende neigt, dann ist das schließlich auch ein guter Grund zum Anstoßen.

Nur noch mal zum Verständnis: Es gibt ja durchaus Menschen, die ihren Job so sehr lieben, dass sich die Arbeit nicht als Arbeit, sondern als Vergnügung anfühlt, und die ihren Tag, wenn das Wort nicht schon vergeben wäre, zum Feiertag ernennen würden. Ich persönlich habe sie noch nicht getroffen, aber Instagram wohl schon. Und dann gibt es noch die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung, die ab dem Moment, in dem sie das Büro betreten oder den Computer hochfahren, den mentalen Countdown starten und für jede Minute, die sie abgesessen gearbeitet haben, einen dicken, fetten Strich machen. Wie damals in der Schule. Nur dass man da noch so furchtbar naiv war und dachte, es gäbe nichts Schlimmeres als 45 Minuten am Stück körperlich und geistig anwesend zu sein. Bis man dann irgendwann in die Welt der 60-minütigen Stunden geschubst wurde und Carole King anfing zu trällern and it’s too late, Baby now, it’s too late.

Leistung ohne Belohnung ist Strafe

Deswegen ist Feierabend ein Geschenk des Himmels. Er ist dieser wunderbare Moment, in dem die Strichliste endlich voll ist und wir uns am liebsten selbst einen Orden verleihen würden, für besonders viel Geduld und überragende Kompetenz, 1+ mit zehnfach Sternchen, inklusive einer kleinen Dankesrede an den Kaffee, der es jeden Tag aufs Neue schafft, unsere Gehirnzellen wieder zusammenzuflicken. Was jetzt lockt ist die Belohnung. Denn wie sagte schon der englische Dichter George Herbert: „Leistung ohne Belohnung ist Strafe.“ Wie wahr, aber als Ausgleich für eine echte Horror-Woche mindestens genauso wichtig. Und deswegen ist es jetzt endlich zum Greifen nah: das Feierabendbier! Und wenn ich Bier* sage, dann meine ich *Wein, Wasser, KiBa, Holunder-Minz-Limo, lauwarme Trinkschokolade, Erdbeerbowle, doppelter Latte Decaf, extra heiß mit einem Hauch von Kakaopulver auf dem Sojamilchhäubchen. In anderen Worten: Wonach jeder Einzelne eben durstet.

Denn schließlich geht es weniger um die Aufnahme (anti-)alkoholischer Getränke als um den Akt an sich. Das manchmal so lang ersehnte, fest verabredete oder doch total spontane Feierabendbier ist in diesem Fall gleichbedeutend mit einem Tapetenwechsel – raus aus den vier monotonen und mit Motivationssprüchen vollgekleisterten Wänden des Erwachsenenlebens und rein in eine Welt ohne Verpflichtungen, Verantwortungsbewusstsein, ellenlange To-do-Listen und Zeitdruck.

Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein

Ich möchte ja behaupten, dass spätestens da die Hierarchietreppchen einstürzen und wir vor dem Feierabend-Herrn alle wieder gleich sind: einfache Menschen, die jegliche Anspannung und manchmal auch die ein oder andere Maske abwerfen, nackte, sich doch mit so wenig zufriedengebende Seelen, die sich vom kleinen, wenn auch nur vorübergehenden Gefühl der grenzenlosen Freiheit treiben lassen. Sind wir in dem Moment nicht alle auf der Suche nach unserer verloren gegangenen Work-Life-Balance? Spüren wir nicht alle beim ersten Schlückchen oder Schlürfchen, wie unser Körper die doppelte Menge an Endorphinen ausschüttet?

Übrigens: Assoziierte man das Feierabendbierchen früher überwiegend mit Männern mittleren und späteren Alters, die in einer verqualmten Spelunke an der Theke saßen – ohne Begleitung, tendenziell schweigsam, das Kleingeld zum Bezahlen direkt aus der Hosentasche –, denken wir heute an einen gemeinsamen Bar/Café/Park-Besuch oder auch einfach an die Couch mit Freunden, also Gleichgesinnten. Im besten Fall ist da wenigstens einer, der versteht, durch was wir da heute wieder durchmussten, weil er oder sie vielleicht genau so ein armer Tropf und Sklave seines Jobs ist. Im noch besseren Fall stellt man dann fest, dass der andere wirklich, also mit dem kompletten Arm, ins Klo gegriffen hat und man selbst eigentlich noch ganz gut dran ist. So lernt man das, was man hat, doch wieder zu schätzen.

Auf die Freundschaft!

Das Schöne am Feierabendbier ist ja aber, dass wir nicht nur jegliche Sorgen einfach mal loswerden und Dampf machen können, damit im Körper wieder Ruhe herrscht, sondern auch die Zeit mit Menschen verbringen, die uns gut tun, mit denen wir Pläne schmieden oder über den blödesten Witz lachen, der unsere Lachfältchen prägt und das Herz wärmt. Wir muntern uns gegenseitig auf, stoßen auf Freundschaften, gute Nachrichten, Etappen und neue Abenteuer an und vergessen den Alltag und die Probleme – und stellen am Ende fest, dass es letztendlich doch einfach nur darum geht: das Leben zu genießen.

In diesem Sinne: Prosit! Ach ja, und wer den ersten Satz mit kräftig, deftig, würzig, gut vervollständigt hat, der hat sich heute nicht nur das Feierabendbier, sondern definitiv auch ein dickes Scheibchen Leberwurstbrot verdient. #notsponsored

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Bildquelle: Wil Stewart via Unsplash