Vier Menschen sitzen beieinander und reden

LiebesLeben: Warum geben wir Ratschläge, an die wir uns selbst nicht halten?

Katja malt mit Sprache Bilder auf ihre Wortleinwand. In ihrer Kolumne nimmt sie euch mit in ihr Atelier: Als absoluter Gefühlsmensch schreibt sie über die Liebe und das Leben – ein bisschen philosophisch und ein bisschen psychologisch, mit einem Hauch von Melancholie.

Jeder hat es schon einmal erlebt: Wenn ein*e Freund*in mitten in einer Beziehungskrise steckt, eine schwierige Phase durchmacht oder mit den großen und kleinen Problemen des Lebens hadert, mutiert man zu Dr. Sommer, Sokrates oder Sigmund Freud – oder gleich zu all diesen Experten in einer Person.

Man gibt seinem*seiner Freund*in Lebensweisheiten mit auf den Weg, die in einem Vokabular formuliert sind, das so hochtrabend ist, dass einem selbst bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal bewusst war, dass man überhaupt über einen derartigen Wortschatz verfügt.

Alles klingt logisch, schlüssig, ergibt Sinn. Und vor allem: Auch, wenn wir Freund*innen in dem bestärken, was sie eigentlich nicht hören wollen, scheinen diese Worte irgendwie so einfach umzusetzen zu sein, solange es nur Worte sind. Selbst, wenn wir Freund*innen dazu raten, eine unbequeme Entscheidung zu treffen, schafft man es immer irgendwie, die eigenen Ratschläge so klingen zu lassen, als wäre diese Entscheidung überhaupt nicht so unbequem.

Man rät jemandem, sich von einer toxischen Freundschaft zu distanzieren? Ist doch kein Ding!

Man rät jemandem, eine Beziehung zu beenden, wenn sie dem- oder derjenigen nicht mehr guttut? Sollte doch zu schaffen sein!

Man rät jemandem, nicht ständig wieder bei seinem*seiner Ex angekrochen zu kommen? Kann doch nun wirklich nicht so schwer sein, das sein zu lassen!

Wahrscheinlich könnte man einem*einer Freund*in sogar raten, an einem wochenlangen Schweige-Yoga-Seminar mitten in der Pampa teilzunehmen und es würde sich irgendwie leicht und sinnvoll anhören, wenn man es nur richtig rüberbringt.

Wenn eine Person die Ratschläge, die man ihr gibt, nicht umsetzt, fühlt man sich schnell auf die Füße getreten. Wozu hat man sich denn überhaupt Gedanken gemacht und Tipps gegeben, wenn die Person anschließend das komplette Gegenteil von dem tut, wozu man ihr geraten hat?

Erst, wenn wir dann selbst vor einer Beziehungs-, Sinn- oder Lebenskrise stehen (oder auch einer deutlich abgeschwächten, weniger dramatischen Version eines dieser Szenarien), müssen wir zwangsläufig von unserem hohen Ross steigen und auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.