Vier Menschen sitzen beieinander und reden

LiebesLeben: Warum geben wir Ratschläge, an die wir uns selbst nicht halten?

Denn dann kehrt sich die Situation um. Andere geben uns Tipps, meinen es gut mit uns, geben uns ganz genaue Anweisungen, was wir tun und lassen sollten. Und noch viel schlimmer als das: Auch wir selbst wissen ganz genau, was wir einem*einer Freund*in raten würden, wenn er*sie sich in unserer Situation befände. Wir wissen, was wir zu tun haben – theoretisch.

Wir wissen, dass wir uns von toxischen Freundschaften und Beziehungen lösen müssen. Und trotzdem tun wir es nicht. Wir wissen, dass es nicht gut ist, seinem*seiner Ex hinterherzurennen. Und trotzdem tut wir es.

Weil es dann eben doch nicht so leicht umzusetzen ist, wie es sich immer anhört, wenn die Tipps aus dem eigenen Mund kommen. Weil die reale Welt sich nicht nach Regeln der Sinnhaftigkeit oder Gesetzen der Logik richtet, sondern Gefühle häufig stärker sind als die Vernunft.

Ist es heuchlerisch, Tipps zu geben, die man selbst nicht einhalten kann?

Auf den ersten Blick vielleicht schon. Das heißt aber nicht, dass man in Zukunft per se aufhören sollte, Ratschläge zu geben, die man selbst nicht befolgt. Denn obwohl wir unseren Ratschlag vielleicht selbst nicht umsetzen könnten, schubst er die Person, die uns um Rat gebeten hat, dennoch ein Stück in die Richtung, von der sowohl wir als auch die Person selbst insgeheim wissen, dass es die richtige ist.

Wir sollten nur lernen, unsere Erwartungshaltung zu ändern, wenn wir anderen Menschen Tipps geben. Denn genau wie wir unsere eigenen Ratschläge häufig selbst lange Zeit nicht umsetzen können, können auch andere Personen dies häufig nicht auf einen Schlag tun. Meistens braucht es Zeit, bis die Vernunft über die Gefühle siegt; bis der Kopf das Herz bezwingt.

Aber jeder gute Ratschlag kann bewirken, dass eine Person einen kleinen Schritt in die richtige Richtung geht – und viele kleine Schritte führen letztendlich auch zum Ziel.

Und irgendwann wird man es vielleicht sogar selbst schaffen, sich an seine Ratschläge zu halten und den Kopf nicht komplett auszuschalten – schließlich ist die Tatsache, dass man anderen diese Ratschläge immer wieder gibt, ein Zeichen dafür, dass man doch eigentlich weiß, wie man in welcher Situation handeln sollte.

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