Frau und Mann sitzen voneinander abgewandt auf einer Bank

LiebesLeben: Bin ich toxisch?

Katja malt mit Sprache Bilder auf ihre Wortleinwand. In ihrer Kolumne nimmt sie euch mit in ihr Atelier: Als absoluter Gefühlsmensch schreibt sie über die Liebe und das Leben – ein bisschen philosophisch und ein bisschen psychologisch, mit einem Hauch von Melancholie.

Das Wort „toxisch“ wird zurzeit geradezu inflationär genutzt, und zwar fast ausnahmslos in Bezug auf andere Menschen und beinahe nie in Bezug auf uns selbst. Wenn über toxische Beziehungen oder toxische Freundschaften gesprochen wird, geht es meist um unseren Gegenpart – also um unsere*n Partner*in oder Freund*innen, von denen wir vermuten, dass sie uns eventuell nicht guttun. Dabei heißt es doch, man soll sich erst an die eigene Nase fassen, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt. Sind wir selbst vielleicht ebenfalls toxisch – und nur blind für unsere eigenen Fehler?

Was ich dir versprechen kann, ist, dass du mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Hinsicht toxische Züge an dir hast. Da das Wort mittlerweile nicht mehr nur in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen im herkömmlichen Sinne genutzt wird, sondern auch Begriffe wie „toxische Produktivität“, „toxische Männlichkeit“ oder „toxische Positivität“ existieren, ist es beinahe unmöglich, nicht in irgendeiner Hinsicht toxisch zu sein.

Genau aus diesem Grund bin ich ehrlich gesagt kein großer Fan des Begriffs „toxisch“. Dadurch, dass das Wort so inflationär gebraucht wird, verliert es gewissermaßen an Bedeutung. Wenn ohnehin alles und jede*r toxisch zu sein scheint, kann es ja nicht so schlimm sein, wenn man selbst auch ein paar toxische Züge an sich hat. Wozu also großartig sich selbst reflektieren?

Und genau da liegt der Fehler. Dadurch, dass bei der aktuellen Verwendung des Wortes sowieso fast jeder Mensch in die Kategorie „toxisch“ fällt, werden wirklich toxische Verhaltensweisen und Beziehungen gewissermaßen verharmlost und wir verlieren den Blick dafür – sowohl bei unseren Freund*innen und Partner*innen als auch bei uns selbst.

Vorab: Ob man als toxisch wahrgenommen wird oder nicht, hängt auch davon ab, mit wem man zusammen ist bzw. mit wem man befreundet ist. Wenn beispielsweise beide Parteien gleichermaßen viel Zeit allein verbringen wollen und dementsprechend auch nicht voneinander erwarten, dass der*die andere 24/7 bei einem ist, ist dieses Verhalten nicht toxisch. Wenn allerdings ein*e Partner*in den*die andere*n am liebsten jeden Tag sehen würde, er*sie das aber nicht zulässt und seinem*seiner Partner*in nicht die Beachtung schenkt, die er*sie sich wünscht, dann ist das durchaus toxisch.