München

So schreibt man Geschichte! München – Im Angesicht des Krieges

Interview mit Jannis Niewöhner (Paul von Hartmann)

ZEITjUNG: Hallo Jannis, erstmal würde ich dir gerne für diesen großartigen Film danken. Steigen wir doch gleich mit einer etwas längeren Frage ein. Paul macht im Film eine große charakterliche Entwicklung durch. Zunächst sitzt er dem Glauben an die Nazis auf und wechselt schließlich die Seite. Was glaubst du, wie wichtig es ist Meinungsänderungen öffentlich darzustellen? Glaubst du die deutsche Fehlerkultur ist unnachgiebiger als in anderen Ländern?

Jannis: Puh, ja wahrscheinlich. Ich glaube, dass man sich da auch dringend mit auseinandersetzen muss. Paul ist da sicher ein Extrembeispiel für jemanden, der sehr an eine Sache geglaubt hat und diese Meinung dann revidieren muss. Für mich als Schauspieler war es natürlich wichtig zu verstehen: „Wo kommt der her? Was hat ihn dazu gebracht so sehr an Hitler zu glauben?“ Da gibt es diese eine entscheidende Szene in der Bar, in der die drei Freunde Lena, Hugh und Paul zusammensitzen und Lena sagt, dass Menschen auf Schiffe gehen, um vor Hitler und seiner Politik zu fliehen. Und Paul hat nichts Besseres zu erwidern als: „Ja wenn sie meinen, dann müssen sie eben gehen. Ist doch Schwachsinn, dass sie jemand dazu zwingt.“ Da merkt man mal, welche Mechanismen bei uns angehen, wenn jemand etwas gegen das sagt, woran wir glauben. Wie sehr wir uns da verteidigen. Wenn wir es dann schaffen, uns von diesem starken Irrglauben zu distanzieren, dann sollten wir auch alles daransetzen, das unserem Umfeld mitzuteilen, uns zu entschuldigen und es besser zu machen. Das ist doch eine schöne Botschaft, die dieser Film vermittelt.

ZEITjUNG: Das war für mich eben auch der springende Punkt. Denn für Paul, der ja ein sehr charismatischer Kerl ist, muss so ein Schritt viel schwerer sein als für Hugh. Für mich war der Film besonders interessant, weil die Hauptfiguren eigentlich zwei Nebencharaktere in der Verhandlung sind. Glaubst du, die Geschichte wäre anders erzählt worden, wenn man sie aus Sicht von Chamberlain und Hitler gedreht hätte?

Jannis: Auf jeden Fall! Wenn ich mir vorstelle, dass ich den Film aus Sicht von Hitler oder Chamberlain erzählt bekäme, kann ich mir schon gut vorstellen, dass ich nicht so wach wäre für die Geschichte und das ich nicht so wach wäre für das, was historisch passiert ist. Ich glaube der Zuschauer braucht diese fiktiven Charaktere – die sich ja durchaus an realen Persönlichkeiten orientieren – um die Situation mehr aus der eigenen Perspektive betrachten zu können. Hitler und Chamberlain sind ja keine Personen, mit denen man sich vergleicht. Mit Paul und Hugh und mit der Freundschaft, die die beiden verbindet, kann ich mich aber durchaus identifizieren. Denn genau das ist ja die Stärke von Filmen, dass man Situationen neu erlebt und auch ein Interesse für etwas entwickelt, zu dem man sonst keinen Zugang hat.