
„Du bist so reif für dein Alter!“ – Wie Parentifizierung idealisiert wird
Zum Leidwesen der Kinder
Die Auswirkungen der destruktiven Parentifizierung sind vielseitig, doch stellen sie in erster Linie eine hohe emotionale Belastung für die Betroffenen dar. Zudem werden parentifizierte Kinder häufig daran gehindert, entscheidende und entwicklungsfördernde Aufgaben zu bewältigen. Dies schließt unter anderem die geringe Bildung von Autonomie mit ein, weil sie sehr stark auf ihre Eltern fixiert sind.
Ebenfalls gehen Parentifizierungsprozesse nicht immer, aber oft mit einer Trennung einher, die Verlustängste im Kind auslösen kann. Es fühlt sich rasch für die Gefühle der Elternteile verantwortlich und möchte die eigenen Emotionen und Wünsche im Hintergrund behalten. Infolgedessen sieht das Kind sich selbst nur dann als nützlich oder wertvoll an, wenn es die Eltern unterstützen kann.
Das Selbstwertgefühl ist demnach eng mit der Zufriedenstellung anderer verbunden. Diese potenziell hervorgerufenen Probleme und Verhaltensweisen übertragen sie schließlich unbewusst auf sämtliche weitere Beziehungen.
Zu welchem Preis?
Parentifizierte Kinder werden sich auf den ersten Blick besser in vielen Bereichen allein zurechtfinden. Sie können schon früh einiges an wichtiger Lebenserfahrung und Selbstständigkeit gewinnen, doch müssen sie dafür einen wahrscheinlich viel größeren Verlust erleiden – den ihrer Kindheit. Folglich sollte die mentale Reife, insbesondere die einer jungen Person, nicht immer als etwas Positives angesehen werden. Denn es ist wichtig, ein Kind, solange es geht, auch Kind sein zu lassen. Im Sinne seines Schutzes und seines späteren Lebensweges.
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Bildquelle: Tadeusz Lakota via Unsplash, CC0-Lizenz