Auf dem Bild ist Emma Kohler zu sehen.

#SelbstbestimmungJetzt: 17-Jährige fordert Abschaffung des TSG

Welche Hürden und Sorgen würden für dich wegfallen, wenn den Gesetzesentwürfen der FDP und der Grünen zugestimmt und das Transsexuellengesetz abgeschafft werden würde?

Mir würde das selber schon extrem viel helfen, weil ich eben nicht mehr durch dieses Verfahren gehen müsste. Ich hab meinen Namen bis jetzt noch nicht ändern können und das könnte ich eben damit. Ich hätte meinen richtigen Namen im Zeugnis, im Ausweis, in allen Dokumenten stehen. Mir würde der Weg mit den extremen Kosten, mit dem Gericht und dem Gutachten erspart bleiben und ich wäre extrem dankbar, wenn der Entwurf angenommen werden würde, weil es mir viel Zeit, Energie und Geld ersparen würde. Und natürlich auch Würde. 

Am 17. Mai war der internationale Tag gegen Homo,- Bi,- Inter,- und Transphobie. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat den Tag verstärkt genutzt, um auf die Diskriminierung gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt aufmerksam zu machen. Der diesjährige Themenschwerpunkt war die Aufklärung über die Gefahren von sogenannten Konversionstherapien, die seit 2020 in Deutschland verboten sind. Kannst du uns kurz erklären, worin diese Therapie besteht und welche schwerwiegenden Folgen aus so einer Behandlung resultieren können ?

Die Konversionstherapie hat das Ziel, aus beispielsweise einer Trans*-Person eine Cis-Person oder aus einer schwulen, lesbischen, oder Bi-Person eine heterosexuelle Person zu machen. Und das ist natürlich absoluter Humbug, weil man kann die Sexualität nicht einfach so, durch eine Therapie verändern. Es können extreme Folgen daraus resultieren, die betroffene Menschen können traumatisiert davon sein und noch Jahre, Jahrzehnte später ihre Sexualität nicht wirklich annehmen und ausüben. Das ist natürlich ein absolutes Fiasko für die Menschen selber und es ist sehr teuer für alle Beteiligten, obwohl es absolut unnötig ist, weil es eh nichts ändert, vor allem nicht ins Positive. Deshalb ist es ein guter Schritt, dass die Konversationstheraphie in Deutschland verboten wurde. 

Ein landesweites gesetzliches Verbot, wie es in Deutschland für Jugendliche besteht, gibt es bislang weltweit nur in sehr wenigen Ländern. Deutschland ist in in diesem Punkt also ein Vorreiter, aber hinkt in der Abschaffung des Transsexuellengesetzes so hinterher. Das ist doch ziemlich ambivalent, oder?

Ja, total. Es gibt über 70 Länder, in denen Homosexualität oder die Ausübung davon noch verboten ist. Deutschland ist zum Glück keins davon, aber wir, als Deutschland, müssen auch in der Außenpolitik extrem für LGBTQA*-Rechte einstehen. Zu der Ambivalenz in der deutschen Politik: Das stimmt, das sind Teile, wo ich mir denke, da sind wir echt gut dabei und andere Sachen, wo ich mir denke, wie kann es eigentlich sein, dass wir noch so hinterherhinken. Von daher bin ich voll dafür, dass wir das Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg bringen und in dem Bereich ein bisschen vorausschauen. Allerdings muss man auch sagen, dass wir in Deutschland immerhin – auch wenn es noch eine ausbaufähige Versorgung ist – eine Gesundheitsversorgung für Trans*-Menschen haben und auch die Möglichkeit an geschlechtsangleichende Operationen oder Hormontherapien zu kommen, was es ja in vielen anderen Ländern nicht gibt. Dort kann teilweise die Ausübung der Trans*-Geschlechtlichkeit schon rechtliche Folgen haben. 

Wie würdest du die Entwicklung außerhalb der Politik beschreiben ? Neue Features, wie das Verwenden von geschlechtsspezifischen Pronomen bei Instagram, sind sehr positiv. Wie bewertest du das?

Ich hatte mein Coming-out im Sommer 2020 und ich habe bis heute keine negativen Kommentare von Mitschüler*innen gehört. Es hat sich extrem viel getan und ich bin überzeugt, dass wir als Gesellschaft mehr als reif für ein Selbstbestimmungsgesetz sind, weil es für Cis-Personen eigentliche keinen Grund gibt, Bedenken zu haben, da sich für sie nichts verändert. Sie sind überhaupt nicht betroffen, es geht einfach nur um die Möglichkeit für Trans*-Menschen, ihre Menschenrechte wahrzunehmen. Dass sich Menschen dagegen sträuben, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, vor allem nicht, wenn die Menschen aus der linken Ecke kommen. Ich denke da an Menschen wie Eva Engelken, die Mitglied der Grünen ist und sich sehr dagegen sträubt. Oder auch Sarah Wagenknecht und Boris Palmer, die beide noch nicht so weit sind.

Ist das nicht auch das ausschlaggebende Argument ? Solange man niemandem weh tut, kann doch jede*r so leben wie er will.

Ja, auf jeden Fall. Wieso sollte ich jetzt beispielsweise gegen die freie Religionsausübung von Muslim*innen sein? Ich hab dadurch doch gar keinen Nachteil. Nein, im Gegenteil – es ist doch einfach toll, andere Kulturen zu sehen und wieso sollte es dann nicht auch toll sein, andere Menschen zu sehen, wie sie ihr Geschlecht frei ausleben können. Eben weil sie einfach so sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Bildquelle: Emma Kohler