Selbstversuch: Weihnachtsentzug auf Sylt

Besinnliche Stimmung, leckeres Festessen und berührende Geschenke – zur Weihnachtszeit gehören oft aber genauso die krampfhafte Geschenkesuche, der Einkaufsstress und die anstrengenden Verwandtschaftsbesuche. Der Wunsch, sich all der Hektik zu entziehen und wirklich zur Ruhe zu kommen, trieb mich dieses Jahr an, Weihnachten mal so ganz anders zu verbringen: Auf der Nordseeinsel Sylt – ohne Weihnachtsbaum, ohne Bescherung und ohne Weihnachtsmusik.

Gestern war der vierte Advent und neben der weihnachtlichen Stimmung, macht sich vor allem der Stress breit in meinem Umfeld. Während die Corona-Pandemie zunehmend auch das Weihnachtsfest gefährdet, wird die Zeit immer knapper. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, das Weihnachtsessen zu planen, die übrigen Geschenke zu kaufen und alles für den Verwandtschaftsbesuch vorzubereiten. Von besinnlicher Adventszeit ist in von Weihnachtsmusik beschallten und mit Menschen überfüllten Innenstädten wenig zu spüren. Ich hingegen sitze entspannt auf der Couch und lasse all den Stress an mir vorbeifliegen, denn ich freue mich auf meinen Kurzurlaub.

Dann ist es endlich so weit. Während der Weihnachtsstress in meiner Heimat so langsam seinen Höhepunkt erreicht, sitze ich im Auto und komme der Nordsee immer näher. So ganz habe ich es noch nicht realisiert, dieses Jahr weder die Christmette zu besuchen noch meine Verwandtschaft zu sehen oder Geschenke zu bekommen. Aber ich bin nicht wehmütig, sondern voller Vorfreude auf salzige Meeresluft, weite Dünen und leckeren Fisch. Doch bis ich auf der Insel angekommen bin, muss ich mich noch ein wenig gedulden. Denn beim Warten auf die Überfahrt, macht mir die Playlist eines kleinen Cafés einen Strich durch die Rechnung: Michael Bublé, Ariana Grande und Major Lazer versuchen mich mit ihren Weihnachtssongs noch ein letztes Mal in Weihnachtsstimmung zu versetzen, doch einige Zeit später ist es geschafft. Ich sitze in einem kleinen Fischlokal, vor mir Sylter Fischsuppe und draußen ein kalter Nordwind.

Meeresluft statt Zimtgeruch

Am nächsten Morgen schaue ich aus meinem Fenster über die Insel Richtung Horizont und mache mich schnell auf den Weg an den Strand. Die letzten Schritte auf den Dünen und der erste Blick auf den weißen Sand und das Meer sind unbezahlbar. Eingepackt in Winterjacke, Mütze und Handschuhe bläst mir ein kalter Wind ins Gesicht, doch die Strahlkraft des Ozeans versetzt mich wieder mal in einen beseelten Zustand. Beim Spaziergang über den Strand, lasse ich meinen Blick über Steine, Muscheln und Sandkörner schweifen, ich lausche dem Rauschen des Meeres und dem Krähen der Möwen. Einige Meter vor mir erblicke ich einen kleinen Seehund, der friedlich in die Wellen robbt. Weihnachtsstress und Geschenke einpacken könnten in diesem Moment nicht weiter weg sein.