Selbstversuch: Weihnachtsentzug auf Sylt

Heute ist der 24. Dezember, doch daran denke ich beim Aufwachen gar nicht. Ich überlege, wie ich meinen Urlaubstag verbringen möchte. Blauer Himmel und strahlender Sonnenschein nehmen mir diese Entscheidung ab. Ich lasse mein Buch zurück, dann mache ich mich auf, in den Norden der Insel, ins Naturschutzgebiet des Sylter Ellenbogen. Nach einem Spaziergang, vorbei an Schilfgräsern, Schafen und einem Leuchtturm setze ich mich auf die Dünen und Blicke auf das Meer. Das erste Mal seit Abfahrt aus meiner Heimat denke ich über Weihnachten nach. Ich überlege was ich jetzt wohl machen würde, wenn ich zu Hause wäre. Dann würde ich jetzt mitten in den letzten Vorbereitungen stecken. Ich würde zwischen Einkaufen gehen und kochen hektisch die letzten Geschenke einpacken. Denn es würde nur noch eine halbe Stunde dauern bis Oma und Opa eintreffen, klassischerweise 10 min früher als vereinbart. Genau die 10 min, die ich für duschen und anziehen eingeplant hatte. Naja, mit dieser Thematik muss ich mich dieses Jahr nicht befassen.

Denn ich lasse mich in den Dünen von der Sonne wärmen. Ungewöhnlich für die Nordsee, ist es nahezu windstill und auch mitten im Dezember angenehm warm, zumindest wenn man sich gut eingepackt hat. Ich genieße das goldene Licht der tiefstehenden Sonne und spaziere über den Strand in ein nahegelegenes Strandcafé. Zu Hause würde ich jetzt durch Nieselregen in die Kirche hetzen. Während meine Verwandten gerade wohl die Predigt über sich ergehen lassen, höre ich die Wellen der Nordsee. Ich sitze auf einer kleinen Terrasse mit Blick auf das Meer und die schon langsam untergehende Sonne. In meiner Hand ein Bratapfelpunsch, so viel Weihnachten darf dann doch sein.

Erkenntnis durch Rückfall

Erst am Abend auf meinem Bett erreicht mich dann doch noch die volle Dröhnung Weihnachten – Schuld ist das Smartphone. Denn dort erwarten mich Weihnachtsgrüße von Freunden und Bekannten, Instagram Posts diverser Promis im Weihnachtspulli und unzählige Bilder von geschmückten Weihnachtsbäumen. Ich erinnere mich daran zurück, wie begeisternd Heiligabend für mich als Kind immer gewesen ist. Wie ich mit großen Augen den Weihnachtsbaum und die vielen Geschenke erblickt habe. Doch diese Begeisterung ist über die Jahre verflogen, der Aufwand und Stress wurden mir dafür bewusster. Natürlich hat auch heute das Weihnachtsfest noch viele schöne und berührende Aspekte, sei es das Öffnen eines ganz persönlichen Geschenkes oder das Zusammenkommen der ganzen Familie.

Dieses Jahr aber, war der Entzug vom Weihnachtsfest eine sehr wohltuende Erfahrung und ein einmaliger Urlaub, der mir für immer in Erinnerung bleibt. Denn mein Weihnachten war dieses Mal geprägt von Strand und Wellen statt Krippenlandschaft, von Fischsuppe statt Fondue oder Gänsebraten – vor allem aber von Ruhe und Besinnlichkeit statt Stress und Hektik. Und das ist es doch, worauf es an Weihnachten wirklich ankommt…

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Bildquelle: Mark-Andre Schulz-Niemax auf unsplash, CC0-Lizenz