Warum „Sex Education“ nicht einfach eine weitere Teenie-Serie ist

Das Setting der neuen Netflix-Serie „Sex Education“: Ein Außenseiter, mit unbeliebtem Side-Kick, schlägt sich durch den Schulalltag. Zwischen Bullies und hübschen Mädchen. Er verliebt sich in eines von ihnen. Sie hat aber leider was mit der beliebten Sportskanone der Schule.

Es geht viel um Sex, den der Protagonist bisher nicht hat. Eigentlich also einfach eine weitere, austauschbare Teenie-Serie. Könnte man meinen. Aber „Sex Education“ ist alles andere als austauschbar.

Scissoring, Strap-Ons und Gefühle

Es geht nämlich auch nicht einfach nur um Sex. Es geht um Scissoring, vorzeitigen Samenerguss und Strap-Ons. Aber vor allem geht es um Kommunikation, die beim Sex eine mindestens so große Rolle spielt wie das rein Körperliche. „Sex Education“ behandelt Sex in einer Art und Weise, wie es keine Teenie-Serie vor ihr geschafft hat. Aufklärend. Und während die meisten Jugendlichen bei dem Wort Aufklärung schon beschämt auf dem Stuhl hin und her rutschen, macht „Sex Education“ es auf eine so ehrliche, peinlich berührte Weise, dass es nicht mal mehr peinlich ist.

In anderen Coming of Age-Serien ist das oft anders. Die „Cool Kids“, ihr Sexleben und alles drumherum wird oft so porträtiert, dass es verklärend ist. Dass es den Zuschauern schon in jungen Jahren ganz falsche Erwartungen gibt. Dass diese sich oft wünschen, ihr Leben wäre nur einmal so, „wie im Film“ eben. In „Sex Education“ haben auch die coolen Kids Probleme – beim Sex, in ihrer Beziehung, Zuhause und in der Schule.

Ehrliche Aufklärung mit Witz

Auf eine herrlich sanfte Weise schafft „Sex Education“ damit das Gegenteil. Die Serie macht irgendwie alles greifbar, und spricht so unverblümt und humorvoll Tabu-Themen an, dass man nicht nur schmunzeln, sondern auch darüber nachdenken muss. „Sex Education“ ist quasi in Watte gepackte Aufklärung. Und dabei geht es längst nicht nur um Sex: Es geht um Abtreibung, es geht um Homophobie, es geht um Feminismus, es geht um das Normalsein des „Andersseins“.

Die Auswahl der Charaktere könnte wilder nicht sein

Der ruhige Protagonist Otis, für den Sex irgendwie noch nicht die gleiche Rolle spielt wie für seine Mitschüler. Seine Mutter, eine Sex-Therapeutin, die davon selbst viel hat aber keine richtige Beziehung eingehen kann. Otis bester Freund Eric, der schwule Sohn einer gläubigen Einwandererfamilie. Maeve, die allein in einem Trailerpark lebt und chronisch pleite ist. Der Schulbully, der sich eigentlich einfach nur nach der Liebe seines Vater, dem Schulleiter, sehnt. Die Serie schafft es, mit ihren Charakteren anfangs stereotyp zu wirken und am Ende immer knapp bis scheunentorweit um die Klischees herumzukommen.

Kein Leben wie im Film und ehrlicher als das echte Leben

Nichts an den Charakteren ist normal, ihre Geschichten so viel komplexer, als es nach Außen scheint. So wie im echten Leben. Und trotzdem schaffen sie in der Coming of Age-Serie etwas, was Jugendliche wie Erwachsene im echten Leben oft nicht schaffen: Sie reden, sie hören zu, sie sind ehrlich zueinander. Meistens zumindest. Der Hype um „Sex Education“ ist deshalb völlig verständlich, er ist sogar gut. Er bringt uns vielleicht dazu, auch offener über Sex, Gefühle und Bedürfnisse zu reden. Sei es in der Familie, in der eigenen Beziehung oder im Freundeskreis.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz