Statussymbole: Geht’s denn wirklich nicht ohne?

Die Statussymbole von gestern haben im Heute keinerlei Bedeutung mehr. Hört man zuletzt jedenfalls häufig. Zu viele andere Dinge sind wichtiger als das Protzen mit dicken Autos, teuren Klamotten und dem ganzen Luxus-Kram. Aber heißt das jetzt, dass wir mittlerweile ganz ohne solche Statussymbole auskommen? Wohl eher nicht – und warum das nicht zwingend schlimm sein muss.

 

Du bist nicht das Auto, das du fährst – oder etwa doch?

Denn es gibt sie augenscheinlich wirklich. Die Leute, die bei „Fight Club“ zustimmend nicken, wenn Tyler Durden den Materialismus unserer Zeit auseinandernimmt und klar macht, wie wenig Statussymbole – und ja, dazu gehören in letzter Konsequenz auch Plates! – die eigene Persönlichkeit ausmachen. Dennoch gibt es Leute, die dann trotzdem freiwillig an einem Samstagvormittag in den nächstgelegenen IKEA fahren, weil der Wohnung noch der letzte, der individuelle Schliff fehlt.

Was hier wie ein klassischer Fall von Ironie des Lebens klingt, ist vielmehr ein erster Hinweis darauf, dass der Umgang mit Statussymbolen doch etwas komplexer ist – und weit über das altbekannte „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ hinausgeht.

 

Was sind eigentlich Statussymbole?

Wie komplex die ganze Angelegenheit wird, macht schon diese vermeintlich einfache Frage deutlich. Die Kurzfassung der Antwort lautet für die meisten vermutlich:

„Status-Symbole [sind] materielle Errungenschaften wie Titel, teure Kleidung, edler Schmuck, schnelle Autos, die einen hohen sozialen Status kennzeichnen. Diese sind für Personen einer bestimmten sozialen Schicht (Arzt, reicher Kaufmann) spezifisch und besitzen meist gesellschaftlich geteilte Wertschätzung (Prestige).“

So formuliert es das Spektrum-Lexikon der Psychologie und dürfte damit eine Definition vorlegen, auf die sich die meisten Menschen wohl einigen können. Im „Praxistest“ stellt sich aber die Frage: Steckt nicht doch ein bisschen mehr dahinter?

 

Statussymbole: Mehr als Luxus

Allgemeinhin gilt, dass Statussymbole vor allem ein Ausdruck für finanzielle Potenz sind. Wie sonst sollten Außenstehend auch sonst den persönlichen Reichtum erkennen können, wenn dieser nicht möglichst plakativ mit Luxusgütern aller Art präsentiert wird?

Statussymbol und Luxus, so scheint es auf den ersten Blick, gehören unbedingt zusammen. Auf den zweiten Blick taucht aber die Frage auf, was genau Luxus denn überhaupt sein soll? Vor allem ist seine Definition bis zu (oder ab, je nach Perspektive) einem bestimmten Punkt Ansichtssache. Naheliegend ist es, unter Luxus an etwas Materielles zu denken, das einen hohen Preis hat. Das kann vom Haus über ein Auto bis zu Schmuck so ziemlich alles sein.

Luxus hat aber genauso eine metaphorische Bedeutung: Zeit haben etwa kann Luxus sein oder Bildung (über die Ausbildung hinaus) – nichts Materielles, trotzdem für viele Leute der pure Luxus. In dem Fall erhält etwas dieses Prädikat, wenn es für uns einen besonderen Wert hat. Üblicherweise einen, der über das rein Zweckrationale hinausgeht, wie es Professor Lambert Wiesing ausdrückt.

Das ist für materiellen wie immateriellen Luxus zugleich der kleinste gemeinsame Nenner. Immer geht er über das hinaus, was für uns und unsere Bedürfnisse eigentlich ausreichend wäre. Wenn wir also viel Zeit dafür aufwenden, um uns jenseits unseres fachlich notwendigen Wissens in vollkommen anderen Bereichen zu bilden, dann ist das Luxus. Der mag zwar sinnvoller erscheinen als der Kauf eines überteuren Autos, auf der Ebene der Notwendigkeit liegen beide – Bildung und Auto – aber dicht beieinander.

Offensichtlich erleichtert diese Erkenntnis eine präzise Definition von Luxus kaum. Was sich allerdings zeigt, ist eine Verschiebung der Bedeutung. Der Begriff beinhaltet längst nicht mehr allein den irrationalen Konsum von teuren Gütern, die auch wegen ihrer Außenwirkung ausgewählt wurden (und werden im Übrigen).

Deshalb funktionieren Statussymbole, wenn man sie erst einmal aus dem engen Zusammenhang mit dem konsumorientierten Luxus befreit hat, heute vielfach auf eine andere Art und Weise.

Statussymbole und Persönlichkeit

Wobei das eben keine fundamentale Umdeutung bedeutet. Wie Statussymbole eingesetzt werden, hat sich in erster Linie in verschiedener Weise ausdifferenziert. Der grundlegende Gedanke bleibt aber nach wie vor, dass sie – wie der Name so einleuchtend sagt – ein Statement setzen sollen. Denn Symbole bleiben sie letztlich immer, ganz unabhängig davon, ob wir unsere neue Designertasche ausführen oder öffentlichkeitswirksam unsere Urlaubsbilder zeigen.

Ein Statussymbol ist zweckgebunden und zwar an unsere Selbstdarstellung. Und bei der geht es eben nicht darum zu zeigen, was wir uns so alles leisten können. Die Entscheidung für ein bestimmtes Auto kann ebenso gut mit Designvorlieben oder positiven Erfahrungswerten zu tun haben. Ein Chronograph als klassisch-männliches besetztes Statussymbol kann ebenso gut ein ausgeprägtes Interesse an besonderer Funktionalität und Technik ausdrücken. Es gibt also durchaus mehr als eine, als die offensichtliche Bedeutungsebene für diese Art Symbol.

Statussymbole sind außerdem weiter verbreitet und keineswegs auf bestimmte Gesellschaftsschichten beschränkt. Im Zentrum stehen individueller Stil, generelle Lebenseinstellung oder politische Ansichten. Kurz gesagt: Wir zeigen unserer Umwelt auf diese Weise unsere Persönlichkeit – wofür wir stehen, was uns wichtig ist im Leben.

 

Statussymbole, Politik und Glaubwürdigkeit

Was wiederum die Frage aufwirft: Wenn Statussymbole unsere Werte und unsere soziale Stellung abbilden – führt das nicht manchmal zu Widersprüchen? Für viele Menschen offenbar schon, wie im vergangenen Jahr die #Rolex-Diskussion um die SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli gezeigt, obwohl es tatsächlich nur wenig Diskussion um die Sache selbst, als vielmehr Anfeindungen von Chebli als Person gab. Ein anderes, trauriges Thema.

Anlass war, ungeachtet des Ausgangs, ein Bild älteren Datums, in dem sich die Sozialdemokratin mit einer nicht ganz günstigen Armbanduhr präsentiert – in den Augen mancher Leute ein offenkundiger Widerspruch zwischen sozialdemokratischen Werten und Selbstdarstellung. Widersprüchlich ist hierbei aber genauso der gesellschaftliche Umgang und die Deutung von Statussymbolen:

Einerseits erwarten wir häufig immer noch, dass Vertreter einer bestimmten Berufsgruppe oder bestimmten gesellschaftlichen Schicht durch entsprechende äußerliche Merkmale als solche zu erkennen sind (siehe Definition oben). Andererseits können wir offenbar im Einzelfall darüber entscheiden, ob wir das angemessen finden.

Vielleicht sind aber wir dann das Problem, weil wir innere Einstellungen und Äußerlichkeiten gleichsetzen und die Hintergründe völlig ausblenden? Es könnte sich also lohnen, bei Statussymbolen auch einmal den Blick dahinter zu riskieren, statt an der Oberfläche hängen zu bleiben.

 

Die Statussymbole unserer Zeit

Die heute mutmaßlich so verbreitete Absage an die Statussymbole hat gerade nicht dazu geführt, dass die jetzt plötzlich verschwinden. Im Gegenteil. Sie bestimmen immer noch zu großen Teilen unser Fremd- und Selbstbild, sie tragen noch immer dazu bei, unseren Platz in der Welt nach außen hin für alle erkennbar zu machen.

An der Funktion hat sich dabei wenig geändert, nur die Wege sind neu. Das schließt übrigens auch die Wege ein, in denen mit und über Statussymbole kommuniziert wird. Wir leben immerhin in digitalen Zeiten.

Die neuen Statussymbole

Zugegeben, wer sich gelegentlich den „Luxus“ gönnt, seine Zeit mit einem Werbeblock eines beliebigen Privatsenders im Fernsehen zu verschwenden, wird sich schon fragen, wie weit sich das mit der Abkehr von alten Statussymbolen überhaupt schon herumgesprochen hat. Spätestens nach dem zweiten, Abenteuer verheißenden, Freiheit versprühenden und Kraft strotzenden Werbeclip für einen schicken SUV müsste man daran zweifeln, ob die Neuigkeiten überhaupt angekommen sind.

Das sind sie tatsächlich, nur nicht bei allen. So sehr Statussymbole nämlich ein gesamtgesellschaftliches Phänomen sind – es geht schließlich nicht nur darum, sie richtig zu verwenden, sondern umgekehrt auch darum, sie als solche zu erkennen –, so sehr bestehen innerhalb unserer Gesellschaft Unterschiede zur Wahrnehmung und Verwendung.

 

(Fast) Alles verändert sich

Die werden in den öffentlichen Diskussionen gerne an Generationsgrenzen festgemacht. Stichwort: Millenials. Denen wird ja so allerhand nachgesagt, zum Beispiel die untergeordnete Rolle, die Status und Prestige in ihrem Leben spielen. Oder die besondere Bedeutung persönlicher Freiräume und der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Oder dass sie (angeblich) lieber Kunst und Designer-Sneaker zu ihren Statussymbolen machen statt Häusern und Autos.

Schwierig ist dabei aber nicht allein die Vorstellung, eine ganze Generation als homogene Gruppe charakterisieren zu können. Ganz so, als gäbe es unter den Enddreißigern/Mittvierzigern niemanden mehr, der nicht doch den Traum von Familie, Haus, Garten, Auto und einträglichem Job lebt. Was wir hieran erkennen können: Lebensentwürfe und Vorstellungen sind selbst innerhalb einer vermeintlich typischen Generation so dermaßen unterschiedlich, dass Verallgemeinerungen schwerfallen.

Das gilt in gleicher Weise für Statussymbole. Die sind längst nicht mehr verallgemeinerbar oder sogar universell, sondern genauso differenziert und verschieden wie die gesellschaftlichen Strukturen. Der vielzitierte Abschied von den alten Statussymbolen ist insofern gleichbedeutend mit einem herzlichen Willkommen für all die neuen Statussymbole, die an ihre Stelle rücken.

Was bleibt, sind dieselben Mechanismen wie ehedem, nur mit begrenzter Reichweite. Eine partikularisierte Symbolwelt, wie es der Soziologe Professor Gerhard Schulze nennt. Vorlieben werden von kleineren Gruppen geteilt, die Statussymbole müssen deswegen gar nicht mehr protzig auftreten, sie brauchen nicht mehr allgemeingültig sein, sondern können wesentlich subtiler und leiser wirken. Ein Blick auf einige Beispiele dafür, was wir heute als Statussymbol verstehen können, macht das klar:

 

Nachhaltig leben

Ein nachhaltiger Lebensstil kommt ohne Statussymbole aus? Weit gefehlt. Im Gegenteil lässt sich das Bemühen um Nachhaltigkeit auf vielerlei Weise für die Öffentlichkeit sichtbar machen, zum Beispiel durch den demonstrativen Verzicht auf ein Auto und das Umsteigen auf ein Lastenfahrrad.

Bei fairer Kleidung gilt das nur mit der Einschränkung, dass diese in erster Linie von Gleichgesinnten erkannt und gewürdigt wird. Aber in Zeiten der partikularisierten Statussymbole gehört das einfach dazu.

Do-it-yourself

In einem gewissen Zusammenhang mit dem Wunsch nach einem nachhaltigeren Leben steht die Renaissance des Selbermachens. Und zwar prinzipiell alles, ungeachtet der vorhandenen Fähigkeiten – wozu gibt es schließlich das Internet mit seinem Überangebot an Hilfestellungen der verschiedensten Art?

Selbst machen und selbst versorgen gehen dabei häufig Hand in Hand: Wer die Gelegenheit hat, pflanzt sein Obst und Gemüse eigenhändig an, Schrebergärten sind längst nichts mehr, das heutzutage noch mit Spießertum in Verbindung gebracht werden würde – fast zumindest.

Ist aber letztlich auch egal. Denn worauf es beim Gärtnern gerade den Generationen ankommt, die nicht mehr mit dem alljährlichen Rhythmus des eigenen Gemüsegartens große geworden sind – was das in der Stadt immer noch weitgehend unmöglich ist –, ist die Aussicht darauf, im wahrsten Sinne die Früchte des eigenen Tuns in Händen halten zu können.

Ein Gefühl, das sich leicht auf andere Tätigkeiten übertragen lässt. Weswegen Lounge-Möbel aus ausgemusterten Euro-Paletten keine kostengünstige Lösung für Terrassenbesitzer mit kleinem Geldbeutel sind, sondern ein Symbol für die eigene Kreativität und Schaffenskraft.

Aber eben nicht nur. Die eigene Leistung und der Stolz auf das Erreichte sind lediglich ein Aspekt. Genauso stehen das herangezogene Gemüse, die selbstgebauten Möbel und die selbstgenähten Klamotten für bestimmte Werte. Für eine bewusste Abkehr vom allgegenwärtigen Konsum, bei dem die Produkte und ihre Herstellung kaum hinterfragt werden. Für einen ganz allgemein bewussteren Umgang mit den Auswirkungen, die das eigene Handeln haben kann.

 

Reisen

Erinnert sich noch jemand an die unsägliche „Reise-dich-interessant“-Kampagne von Expedia, die den Leuten einreden wollte, dass sie nur dann auf soziale Bestätigung hoffen können, wenn sie von ihren Reiseerlebnissen erzählen können? Die Werbung ist, zugegeben, schon einige Jahre alt, zeigt aber immer noch, wie sehr selbst das Verreisen als Statussymbol taugt.

Wobei das so nicht richtig ist, denn vielfach steht das Reisen an sich sehr viel weniger im Vordergrund als die obligatorische Berichterstattung im Anschluss (oder auch gerne währenddessen, wozu leben wir schließlich im digitalen Zeitalter?). Jetzt sind Reisen nicht grundsätzlich schlecht, wie will man auch sonst andere Kulturen kennenlernen? Nur sollte es dann auch wirklich darum gehen, findet die Autorin und Bloggerin Anika Landsteiner – und nicht um einen Wettbewerb, wer wann wie günstig wohin geflogen ist.

Wollen wir tatsächlich die weltoffenen Kosmopoliten sein, als die wir uns mit unseren Reiseberichten so gerne darstellen, müssen wir uns immer der Verantwortung bewusst sein, die wir durch unser Reiseverhalten gegenüber Umwelt, Klima und den Ländern, die wir besuchen, haben.

 

Erlebnisse und Erfahrungen

Die Karriereleiter als Statussymbol hat ihre Anziehungskraft für viele Menschen – aber längst nicht alle – verloren. Wichtig ist vielfach nicht mehr der Titel, die Position in der Unternehmenshierarchie oder die Höhe des Gehalts, sondern die Dinge, mit denen wir uns in unserer Freizeit beschäftigen.

Leistungen, Erlebnisse und Erfahrungen erfüllen dabei, ganz ähnlich übrigens wie das Reisen, zwei Aufgaben: Selbstvergewisserung und Bestätigung. Das ist das „Reise-dich-interessant“-Prinzip, bei dem aufregendere, außergewöhnliche Aktivitäten einen höheren sozialen Status versprechen.

Wobei die auch nicht zwingend so unglaublich spannend sein müssen. Als immer‑aktueller und weit verbreiteter Gesprächsanlass reicht im Grunde genommen schon die Mitgliedschaft im Fitness-Studio. Dass die Mitgliederzahlen seit Jahren steigen und Cardio und Muskelaufbau dadurch gar nicht so besonders sind? Geschenkt. Gibt schließlich immer entweder Gleichgesinnte, die an den Gewichten und Geräten genauso ranklotzen, wie man selbst, oder diejenigen, die da einfach nicht mehr mithalten können.

So oder so, das Fitness-Programm ist bestens dafür geeignet, sich seiner eigenen Leistungsfähigkeit zu versichern, sich im Vergleich mit den Anderen Bestätigung (oder Ansporn) zu holen und gleichzeitig allen Sportverweigerern zu zeigen, dass man alles im Griff hat. Und zwar nicht nur die Hanteln.

 

Die neuen alten Statussymbole

Jetzt sind Hobbys, bei denen die persönlichen Leistungen ein nicht unwesentlicher Aspekt sind, in dem Sinne keine wirklich neuen Statussymbole. Im Prinzip sind sie outgesourcter Karrierismus. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wird doch einem Großteil der heute Beschäftigten nachgesagt, dass der Wettbewerb um die besten Plätze auf der Karriereleiter für ihn keine sonderliche Rolle mehr spielen. Muss er allerdings auch nicht, denn unsere Freizeit bietet so viele Gelegenheiten, diesen Wettbewerb mit anderen „Waffen“ auszutragen.

Daneben können alle, denen das nicht ausreicht und die sich den Leistungsvergleich mit den Kollegen nicht nehmen lassen wollen, natürlich im Job weiterverfahren, wie bisher. Beziehungsweise gehört schon ein wenig mehr Subtilität dazu, wenn die Hierarchie als Statusanzeiger seine Allgemeingültigkeit verloren hat.

Der neue Gradmesser ist stattdessen – Stress. Je mehr, desto besser, es ist ja schließlich immer noch ein Wettbewerb. Da macht es auch keinen allzu großen Unterschied, ob der Stress im Job oder in der Freizeit entsteht, ob er von außen – durch zu viele zu anspruchsvolle Aufgaben – oder von innen – also: selbstverschuldet wegen schlechtem Zeitmanagement – kommt.

Die Hauptsache ist, wir haben Stress und können davon erzählen. Da wird der Stress schnell zum postmodernen Statussymbol, bei dem es gar nicht mehr so sehr um die reale Belastung an sich geht, sondern um den heldenhaften Umgang damit. Dass dazu offenbar eine ganze Menge Rumjammern gehört, macht die Angelegenheit nicht gerade besser. Beim Zelebrieren unseres persönlichen Leidens geht nämlich schnell mal die Verhältnismäßigkeit verloren. Ein Statussymbol also, dass wir durchaus in seiner Sinnhaftigkeit überdenken könnten. Sofern das nicht zu viel Stress verursacht.

 

Status und Influencer

Ein zentrales Mittel, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen, sind die sozialen Medien. Das hat unterschiedliche Gründe. Zum Beispiel, dass sich kaum eine größere Bühne finden lässt, um genau diese Aufmerksamkeit zu bekommen. Viral zu gehen als neues Statussymbol, das ist längst Realität.

Social Media hat mit gewaltigen Reichweiten und Geschwindigkeiten dafür gesorgt, dass zumindest in der digitalen Welt Status leichter erreicht werden kann. Die Kehrseite der Medaille – Status geht auch leichter wieder verloren, verflüchtigt sich schneller. Wer seinen Status auf Instagram untermauern und im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Rests der Welt bestehen will, muss daher wieder und wieder liefern.

Zwischen „normalen“ Nutzern und werbewirksamen Influencern, die mit ihren Posts ihr Geld verdienen, besteht da grundsätzlich kaum ein Unterschied. Likes zählen, in jeder Hinsicht. Ein simplerer Maßstab für das soziale Standing ist fast nicht vorstellbar. Was nicht gleichbedeutend mit „gut“ ist. Im Gegenteil hat die Bedeutung der Likes den eigentlichen Zweck der Plattform weitgehend ad absurdum geführt. Sie schafft Illusionen, die den Betrachtern Realität vorgaukeln.

Scheinen auch die Verantwortlichen bei Instagram inzwischen zu denken und weiten (unter anderem) deshalb ihre Bemühungen aus, der Jagd nach den Likes einen Riegel vorzuschieben. Mutmaßliches Ziel der neuen Versionen, in denen die Likes nicht mehr sichtbar gezählt werden: Unsere Konzentration soll wieder mehr den Inhalten gelten und weniger der Tatsache, dass ein Post schon 12 Trillionen anderen Nutzern gefällt.

Wie weit sich die Veränderung auswirkt? Ungewiss. Auf allgemeinen Jubel trifft die Entscheidung jedenfalls nicht, immerhin entzieht sie vor allem den Influencern eine wichtige Grundlage für ihre „Arbeit“. Dabei sind die längst nicht die einzigen, die sich über jeden weiteren Like freuen: Ist doch für uns alle schön, wenn wir Bestätigung bekommen.

Im Zweifelsfall können wir außerdem immer noch die Schar unserer Follower ins Feld führen, um unseren Status sichtbar zu machen. Oder uns für eines der vielen anderen Statussymbole entscheiden, die uns zu diesem Zweck inzwischen zur Verfügung stehen.

 

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