7 Fragen, 7 Antworten: Wie entstehen Trends bei Tätowierungen?

Blauer Lidstrich. Glitzerleggins. Pali-Tuch. Trends hat jeder schonmal mitgemacht und sich später beim Ansehen der Fotos ein bisschen geschämt. Gut, wenn die Trends in der Altkleidertonne oder Verkleidungskiste landen können. Blöd, wenn sie unter die Haut gemalt sind.

Das Arschgeweih – bildgewordene Vergänglichkeit von Trendmotiven

Auch bei Tattoos gibt es Trends, Motive, die „in“ sind. Das beste Beispiel dafür tragen viele Frauen auf ihrem unteren Rücken. Knapp über der Gürtellinie, ästhetisch weit darunter – das Arschgeweih. Lange Zeit waren die verspielten Bilder in Hirschgeweih-Form ganz groß im Trend, mittlerweile ist das Tattoo verpönt. ZEITjUNG hat mit dem Tätowierer Paul Varga über Trends bei Tattoos und deren Entstehung gesprochen.

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Herr Varga, gibt es Tattoo-Trends?

Ja, natürlich. Es gibt die Klassiker, die man immer macht, Portraits, Tiere und solche Sachen. Aber circa die Hälfte der Tattoomotive sind trendbedingt.

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Welche sind momentan die Top-Trends unter den Tattoos?

Gerade sind sogenannte Water-Color-Motive stark im Trend. Diese Tattoos sehen ein bisschen aus wie Aquarell-Gemälde und sind häufig auch farbig. Ein weiterer großer Trend sind Fineline-Tattoos. Häufig sticht man solche Motive nur mit einer einzelnen Nadel, nicht wie üblicherweise mit 3,4 roulierenden. Diese Tattoos sind sehr minimalistisch, leider aber technisch auch sehr schwer. Die Haut verändert sich, deswegen sehen solche Tätowierungen in 20 Jahren anders aus, als direkt nach dem Stechen. Nachstechen geht bei Fineline-Tattoos nicht, da die Linien so dünn sind, dass man erkennen würde, wo nachgebessert wurde. Auch sogenannte One-Line-Tattoos sind gerade sehr beliebt, hier wird mit einem einzelnen „Strich“ ein Motiv gezeichnet. Quasi das Gegenteil dazu, großflächige, schwarze Tattoos werden aber auch immer beliebter.

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Wie entstehen Tattoo-Trends?

Tattoo-Trends entstehen genauso wie Trends in anderen Lebensbereichen. Durch Zeitschriften, Messen und natürlich durch die sozialen Medien. Manchmal hat man aber echt das Gefühl, als gäbe es eine Art kollektives Unterbewusstsein. Da kommen dann an einem Tag acht Leute in den Laden und wollen ein Eulen-Tattoo, in der Woche darauf sind es Schiffe. Das ist schon echt interessant. Außerdem haben bestimmte Prominente eine Vorbildfunktion was Tattoos angeht. Gerade Fußballer sind hier ein (leider oft sehr schlechtes) Beispiel. Tattoo-Trends gehen außerdem meist von großen Städten aus – Hamburg, Berlin, da sind die Leute offener und experimentierfreudiger. Ich würde aber wirklich sagen, dass gerade Instagram in den letzten Jahren den größten Einfluss auf die Entwicklung von Trends im Tattoo-Bereich hat.

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Tattoos sind ja in letzter Zeit sehr im Trend, das Stigma, das früher mit einem Tattoo verbunden war, scheint komplett verschwunden. Wie ist deine Einschätzung dazu?

Ja, die Wahrnehmung von Tattoos in der Öffentlichkeit ist definitiv viel besser geworden. Das ist natürlich auch gut so. Wir bemerken die Entwicklung in unserem Studio schon auch, manchmal kommen ganze Familien zu uns und lassen sich tätowieren, das wäre früher ein Unding gewesen.

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Welche Verantwortung besitzt der Tätowierer? Oder tut er das überhaupt?

Definitiv. Wir nehmen unsere Rolle da auch sehr ernst. Auch wenn das Stigma von Tattoos nicht mehr so stark ausgeprägt ist, würde ich beispielsweise niemals einen Kunden direkt auf die Hände tätowieren. Das Gleiche gilt für alle sichtbaren Körperteile. Erst wenn jemand bereits mehrere Tattoos an unauffälligeren Stellen hat, fange ich mit den Sichtbaren an. Zum Beispiel sind Tätowierungen im Gesicht total im Kommen. Ich habe den Eindruck, dass dadurch, dass immer mehr Menschen tätowiert sind, sich immer mehr Menschen dadurch abheben möchten, indem sie Tattoos an sehr exponierten Stellen haben. Das ist für mich als Verantwortlichen natürlich schwierig. Ich möchte niemandem die Zukunft durch eine Tätowierung verbauen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass ein Tattoo für niemanden eine Benachteiligung im Berufsleben darstellt, leider ist das in der Realität (noch) nicht der Fall.

Bildquelle: Tattoo Anasi

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Und wenn das Tattoo trotzdem irgendwann nicht mehr gefällt?

Dann gibt es immer noch die Möglichkeit, ein Cover-Up zu machen. Es gibt viele Künstler, die sich in diesem Bereich spezialisiert haben. Dem Tattoo geht ein Gespräch mit den Kunden voraus, wie er das Motiv gerne abwandeln möchte, und was er lieber hätte. Motive, die wir häufig ändern müssen, sind vergangene Trendbilder. Eine Zeit lang war die Pusteblume total beliebt, oder auch japanische Schriftzeichen. Man kann aber selbst hier oft noch Wunder bewirken.

Bildquelle: Tattoo Anasi

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Hand aufs Herz, was war das schlimmste Tattoo, dass du je gesehen hast?

Ohje, da gibt es leider wirklich viele. Ich muss dafür nur einmal in die Kneipe gehen. Einmal habe ich ein Mädchen gesehen, die eine Figur aus dem Film Alien über den gesamten Rücken tätowiert hatte. Dazu war es nicht mal gut gestochen und sie war mega jung, vielleicht 18 Jahre alt. Schlimm sind auch solche Tattoos, bei denen man gar nichts mehr erkennt, die dann nur noch eine Art Fleck sind. Oder eben die Klassiker, falsch geschriebene Texte und Namen von Verflossenen. Das tut mir regelrecht weh.

Bildquelle: Dajana Kollig für ZEITjUNG

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Beitragsbild: Unsplash unter CC0 Lizenz