"tick, tick... BOOM!": Was machen wir mit der Zeit, die uns noch bleibt? Bild: Macall Polay / Netflix

tick, tick… BOOM! – Was im Leben wirklich zählt

In knapp zwei Stunden wird die Geschichte eines jungen Mannes am Scheideweg erzählt, gepaart mit gelungen eingewobenen Musical-Einlagen. Der in einem gesunden Maß verrückte Jon wächst einem auch dank der großartigen Darstellung Andrew Garfields schnell ans Herz. Seine Entscheidungen mögen vielleicht nicht immer richtig sein, aber sie sind nachvollziehbar. Dadurch begeht die Figur Fehler, die sie nicht als strohdumm dastehen lassen, sondern menschlich wirken. Allgemein sind die Charaktere hervorragend gewählt. Nicht nur setzen sie alle gelungene Akzente im Bereich des Storytellings – es sei nur Jons bester Freund Michael genannt, der dem Ruf der finanziellen Sicherheit gefolgt ist – sondern Drehbuchautor Steven Levenson und Regisseur Lin-Manuel Miranda gelingt es auch, den Nebenfiguren trotz zuweilen nur kurzer Auftritte auf der Leinwand Leben einzuhauchen. Ich habe (fast) allen Charakteren geglaubt, dass sie echte Menschen mit einer ganz eigenen komplexen Persönlichkeit sind. 

Einer der besten Filme des Jahres

Und dabei ist es noch nicht einmal der Cast und die Geschichte mit emotionalem Höhepunkt, die „tick, tick… BOOM!“ so einzigartig machen – auch wenn sie einen nicht unerheblichen Anteil daran haben. Ähnlich wie „The Greatest Showman“ aus dem Jahr 2017 setzt der Film auf eine bildgewaltige Darstellung mit eindrucksvollen Tänzen und noch eindrucksvollerem Soundtrack, wenn es zu den bereits angesprochenen Musical-Parts kommt. Und mit „eindrucksvoll“ meine ich nicht unbedingt pompös. Ja, das kann „tick, tick… BOOM!“ auch, keine Frage. Aber wie so oft sind es die leisen Töne, die die Musik machen, oder die kleinen Tänze, die den/die Zuschauer*in in ihren Bann ziehen und eine nachhaltige emotionale Reaktion erzeugen. 

„tick, tick, …. BOOM!“ ist einer dieser Filme, bei dem es wirklich schwer fällt, negative Punkte zu finden. Ja, stochert man etwas herum, könnte man sagen, dass gerade im ersten Drittel der Hintergrund der Charaktere durch den Erzähler zu leicht auf der Silberplatte serviert wird und der/die Zuschauer*in kaum die Möglichkeit bekommt, die Eigenschaften selbst herauszufinden – Protagonist Jon und sein bester Kumpel Michael seien an dieser Stelle mal ausgeklammert. Aber das fällt nicht weiter ins Gewicht und legt sich zum Glück recht schnell wieder. 

„tick, tick… BOOM!“ ist ein Film, der, so weit lehne ich mich aus dem Fenster, mit Sicherheit in der einen oder anderen Kategorie noch einen Oscar abstauben wird und nicht weniger als eines der besten Werke des Jahres 2021 ist. Denn anders als manchmal im Film angerissen, zählen Kreativität und intelligent ins Storytelling eingewobene Gesellschaftskritik eben doch noch etwas in einer vom Geld angetriebenen Welt. 

Ich kann das Werk rund um den 29-jährigen Jon nur jedem ans Herz legen, wenn man nicht zwingend Knarren oder Fantasy-Welten braucht. „tick, tick… BOOM!“ startet am 11.11.2021 in ausgewählten deutschen Kinos und ist ab dem 19.11.2021 exklusiv auf Netflix verfügbar. 

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Bildquelle: Macall Polay / Netflix