Mann mit Spiegel im Wasser

Transracial: Geht das?

Doch damit nicht genug. Sie lehrte zum Thema afroamerikanische Geschichte und Kolonialismus, bekam Stipendien, welche eigentlich PoC vorbehalten waren und sicherte sich sogar einen Buchdeal für ein autobiografisches Werk über ihr Leben. In einem Blogpost outete sie sich schließlich selbst und gab zu, sich quasi ihr gesamtes Erwachsenenleben als schwarze Frau ausgegeben zu haben. Erst war sie Nordafrikanerin, dann Schwarze mit US-Wurzeln, schließlich eine aus der Bronx Kommende mit karibischem Hintergrund. Alles davon, offensichtlich falsch. Sie entschuldigte sich für ihr Handeln und gab an, jahrelang zu feige für diesen Schritt gewesen zu sein. Die Universität, an welcher sie arbeitete reagierte verhalten und erklärte, sich um Personalangelegenheiten intern kümmern zu wollen.

Nachdem ich mich einige Stunden durch die Lebensläufe von Dolezal und Krug klickte war ich verwirrt.

Was bezweckten die beiden Frauen damit?

Ich scheute mich, Argumente wie „verwirrte Identitäten“ anzubringen und hörte mir schließlich einen Podcast mit der Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal an. In ihrem neusten Roman beschäftigt sie sich unter anderem mit dem Fall Dolezal und diskutiert Transracialism als kulturelles Phänomen.

Sanyal ermöglichte mir einen völlig neuen Blickwinkel auf die Problematik. Wo ich noch zwischen kultureller Aneignung und den Rechten von Trans-Personen hin und her schwanke, macht sie ein drittes Fass auf.

Ihrer Meinung nach, handelt es sich bei Dolezal und Krug um “Black Passing“. Während es in der Debatte um „White Passing“ an sich meist darum geht, das Menschen, welche sich selbst nicht als „weiß“ identifizieren aber dennoch „weiß“ gelesen werden, liegt hier der umgekehrte Fall vor. Ebenso wie viele BIPoC auf alltäglicher Basis, mussten sich die beiden Frauen nach ihrem Outing, Fragen nach der Herkunft oder dem Geburtsort gefallen lassen. Die Situation wirkte grotesk und die Interviews klingen heute fast wie schlechte Satire.

Doch warum dieses Drama um ihre Herkunft? Vielleicht geht es ja doch nur um ein Schönheitsideal? Oder nicht?

Die Antwort liegt auf der Hand. Ja, Race ist ein soziales Konstrukt, ebenso wie Gender. Es gibt zunächst keinen biologischen Unterschied zwischen den Menschen. Das sollten wir spätestens seit Ende des zweiten Weltkriegs etabliert haben. Was es jedoch gibt, ist die Geschichte. Sowohl Kolonialismus, Apartheid, Sklaverei, als auch der Nationalsozialismus leisteten ganze Arbeit und führten zu einer Form von Rassismus, die auch heute leider noch vielerorts spürbar ist. 

Nun könnte man argumentieren: Gut, aber Michael Jackson war doch auch irgendwann weiß! Und die ganzen Schönheits-OPs haben ihr Übriges dazu beigetragen, dass seine Herkunft in Vergessenheit geriet.