Dazugehören

Vom Gefühl, nirgendwo hinzugehören

Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, genau diese Menschen um mich gehabt zu haben oder teilweise immer noch um mich zu haben.

Aber das heißt nicht, dass ich mich richtig zugehörig fühle. Denn ich erinnere mich auch daran, wie oft ich das Gefühl hatte, nicht hineinzupassen. Wenn ich durch die Straßen meiner Heimatstadt gelaufen bin und die „Witze“ der Leute am Rande mitbekommen habe. Wenn bei Familienfeiern über diesen und jenen Bäcker in der Nähe geredet wurde. Wenn meine Freund*innen über Dinge gesprochen haben, von denen ich keine Ahnung hatte. Wenn sie meines Erachtens zu früh nach Hause gehen wollten; wenn auf WG-Partys Dramen wegen nichts entstanden sind. Wenn ich nach dem Feiern zurück in das gruselige Haus gehen musste, in dem meine Studentenbude lag. Wenn mein erster Freund davon geredet hat, wie er sich sein Leben vorstellt. Wenn mein zweiter Freund mir verrückte Stories erzählt hat, die ihm widerfahren sind. Wenn ich durch Berlin gelaufen bin und das Gefühl hatte, nicht „hipp“ genug für diese Stadt zu sein.

Von Wurzeln und Flügeln

Das ändert natürlich nichts daran, dass ich meine Wurzeln kenne und mir ihrer immer bewusst sein werde. Das Gefühl, nicht vollständig dazuzugehören, hat nichts damit zu tun, dass ich die Menschen, von denen ich bisher umgeben war, nicht liebe oder das Gefühl habe, von ihnen nicht genug Liebe zu bekommen. Im Gegenteil: Ich liebe es, mit allen von ihnen Zeit zu verbringen. Und es gibt Momente, in denen ich mich vollkommen zugehörig fühle. Aber es handelt sich eben um Momente. Als permanenter Teil einer Gruppe oder eines Ortes habe ich mich selten gefühlt. Eigentlich egal, aus welchen Menschen die Gruppe bestand oder um welchen Ort es ging.

Und ich frage mich, ob dieses Gefühl der Zugehörigkeit je Besitz von mir ergreifen wird. Oder ob es vielleicht sogar normal ist, sich nicht permanent als Teil von etwas zu fühlen. Vielleicht ist es normal, nur diese Momente zu haben; wie kleine „Inseln“ mitten in einem beängstigend riesigen Ozean.

Ein psychologischer Twist

Wie so oft in der Psychologie gibt es zwei Richtungen, in die sich das eigene Verhalten entwickeln kann, wenn man sich nichts und niemandem so richtig zugehörig fühlt:

Möglichkeit 1: Man versucht zwanghaft, Bindungen zu Menschen aufzubauen, und sich jemandem zugehörig zu fühlen. Fast schon egal, um was für eine Person es sich dabei handelt. Hauptsache, man hat jemanden.

Möglichkeit 2: Man lässt niemanden mehr so richtig an sich heran und geht potenziellen zwischenmenschlichen Bindungen aus dem Weg.

Beide Optionen klingen nicht gerade vielversprechend. Aber vielleicht kommt ja irgendwann doch noch der Tag, an dem alle, die das Gefühl haben, verloren im Ozean herumzutreiben, nicht nur eine weitere Insel, sondern endlich das Festland erreichen und sich aufrichtig zugehörig fühlen. Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

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Bildquelle: Bayu jefri via Pexels; CC0-Lizenz