Dein ultimativer Anime-Guide – Was ist „Ecchi“?

Also, wo liegt nun das Problem?

Ecchi-Werken (und damit meist Anime in seiner Gesamtheit) wird oft vorgeworfen, sie reduzieren Frauen auf ihr Äußeres. Früher oder später stößt man fast unweigerlich auf eine Frau, deren Oberweite jeden Rücken brechen würde und der Kleidungsstil lässt der Fantasie oft wenig Spielraum – der völlig seriöse Internet-Begriff „Anime-Tiddies“ kommt eben nicht aus dem Nichts. Männer sind aber auch nicht gerade die Überflieger, was charakterliche Tiefe anbelangt: Der Perversling ist einer der häufigsten männlichen Protagonisten, weil er am einfachsten umzusetzen ist. Wir alle kennen schließlich das Klischee des dauergeilen Teenagers, das ja noch nicht einmal aus der Luft gegriffen ist: Die Pubertät hat uns oft Sachen denken oder tun lassen, für die wir uns heute schämen würden.

Ecchi geht außerdem häufig mit einem weiteren Genre einher, welches kaum sexistischer klingen könnte: Harem. Was für uns sofort Assoziationen mit dem Patriarchat und Sexsklavinnen weckt, bedeutet dabei eigentlich nur, dass mehrere Frauen sich zu einem Mann hingezogen fühlen – ein Konflikt, den wir aus jeder x-beliebigen Rom-Com kennen. Das Gegenteil dazu gibt es in Form des Reverse Harem (auf japanisch Gyaku-Haremu), hier wurde also nur ein problematischer Begriff ohne kulturelle Hintergrundkenntnis in eine andere Sprache übernommen.

Ist das sexistisch?

Das ist eine wichtige Frage, auf die ich keine endgültige Antwort weiß. Daher muss an dieser Stelle meine persönliche Meinung ran, mit der du selbstverständlich nicht einverstanden sein musst. Ich würde das genaue Gegenteil behaupten, denn Ecchi bricht in vielerlei Hinsicht mit festgefahrenen Rollenbildern:

  • Frauen spielen viel öfter aktive Rollen und machen keinen Hehl daraus, dass auch sie sexuelle Bedürfnisse haben. Gerade in Harem-Animes kann es erfrischend sein, zur Abwechslung mal die Männer in der Defensive zu sehen – nach unserem Verständnis von Romantik unmöglich, schließlich legt sich bei uns immer der Mann ins Zeug, um das Herz einer Frau zu gewinnen. Manche mögen diese Anstrengung romantisch finden, für mich ist sie einfach nur ermüdend.
  • Da Ecchi-Werke oft an jugendliche Jungs gerichtet sind, kann die Darstellung von Frauen zum Teil sehr befremdlich wirken, keine Frage. Genauso befremdlich sind für mich als Mann dann eben auch Jack aus dem Film Titanic und Christian Grey aus Fifty Shades of Grey, die beide eindeutig nach eher weiblichen Fantasien modelliert sind. Da kann man dem Genre also höchstens eine oft zu eng definierte Zielgruppe unterstellen.

Mein Ziel ist es jetzt nicht, Menschen an den Pranger zu stellen, die kitschige Romanzen mögen: Fantasien sind ja nichts Schlechtes oder Verwerfliches, solange man zwischen ihnen und der Realität unterscheiden kann. Ein Ecchi-Anime sollte nie und nimmer als Handbuch für Beziehungen herhalten, da er im Sinne seichter Unterhaltung über die Stränge schlagen kann. Die Lösung liegt aber nicht in einem Verbot potenziell schädlicher Filme und Serien (und wer kann schon entscheiden, was schädlich genug ist und was nicht?), sondern in einem bewussteren Umgang mit dem Medium.

Mein persönliches Fazit lautet daher: Wir sollten Ecchi als das sehen, was es sein will – Unterhaltung, die für einen humorvollen Umgang mit Sexualität steht. Sexualisiert ist dabei nicht gleichbedeutend mit sexistisch, auch wenn das eine in das andere übergehen kann. Im Endeffekt ist es also weniger eine moralische Frage als viel mehr eine Frage persönlicher Grenzen und Präferenzen.