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Nach dem Abschluss ist vor der Krise

Du hast es geschafft – endlich liegt deine Bachelor-/Master-/was auch immer- Arbeit als fertig gedrucktes Exemplar vor dir und du bist stolz. Darfst du auch sein, sagt dir jeder. Denn all die anderen in deinem Leben sind (hoffentlich) auch sehr stolz auf dich. Nach all den Jahren und Tränen, Nervenzusammenbrüchen und verheulten Anrufen bei deinen Freunden, deiner Familie, vielleicht sogar bei deinem Prof, hast du endlich geschafft, was du oft nicht für möglich gehalten hättest. Ich persönlich erinnere mich an viele „Ich schaffe das nie“ und „überhaupt war das eine total beschissene Idee“ oder gerne auch „ich schmeiß jetzt alles hin“ – Momente. Schön war das nicht. Aber wir waren so viele und dadurch wurde es erträglich, denn den Kommilitonen/innen ging es selten besser.

Die Zeit danach

Also – wuhuu – fertig! Jetzt erst mal Urlaub! Eine neue eigene Wohnung und endlich raus aus der WG, die dich schon viel zu lange nur noch nervt. Aber halt, stopp! Diese Rechnung hast du im wahrsten Sinne ohne dein Konto gemacht, das sieht nämlich als Urlaub lediglich einen Ausflug in den Park oder den Besuch bei Großeltern vor. Und an eine eigene Wohnung ist erst mal auch nicht zu denken, mit deinem Kellner-Job-Gehalt (bitte hier die demütigende, nervende, halsbrecherische Tätigkeit deiner Studentenzeit einfügen). Während du nämlich in den Endzügen deiner Abschlussarbeit warst, hattest natürlich nie genügend Zeit, dich um einen Job zu kümmern. Also lässt du erst mal alles so, wie es ist, schreibst vielleicht ein paar Bewerbungen und wartest auf deine Abschlussnote. Und wartest. Und wartest. Sobald du sie dann hast, bist du in aller Regel recht zufrieden damit, weil du entweder eine gute Note hast, oder aber die schlechte Note einfach akzeptierst, um dich ja nicht noch länger mit dem Mist zu beschäftigen. Jetzt fehlt nur noch der Job.

Was Dir niemand über den Bewerbungsprozess gesagt hat…

.. die warten tatsächlich nicht gerade auf DICH! Klar, wir halten uns für die neue Elite Deutschlands (immerhin hat Elitepartner uns das attestiert), die Personalchefs dieser Welt sehen das aber vielleicht etwas anders. Wer in seiner Studienzeit nicht den Luxus genießen konnte, während des Sommers ein unbezahltes Praktikum bei einer mega coolen Agentur oder dem neusten hippen Start Up anzutreten, sondern in eben jenem beschissenen Kellner-Job für einen Hungerlohn rackern musste, der hat schlicht zu wenig Berufserfahrung. Schön und gut, dass du dein Studium in Rekordzeit durchgezogen hast und jetzt mit 20 deinen Bachelortitel (oder eben mit 22 deinen Master) hast – es hilft dir nur nicht unbedingt weiter.

Du bewirbst dich und bewirbst dich und bewirbst dich. Du erhältst sehr viele Absagen, ein paar mal kommst du in die nächste Runde, du absolvierst Vorstellungsgespräche irgendwann relativ routiniert, aber den Job bekommst du – wenn es nicht gerade wie im Märchen läuft – trotzdem nicht. Am Ende hast du wieder diese „ich schaffe das nie“ und „überhaupt war das eine total beschissene Idee“ oder gerne auch „ich schmeiß jetzt alles hin“ – Momente. Nur dieses Mal ist das nicht wirklich eine Option, weil Du verdammt noch mal von irgendetwas leben musst und du auch nicht die letzten Jahre völlig umsonst absolviert haben möchtest. Was dazu kommt ist, dass der Arbeitsmarkt (zumindest während meiner „Recherchetätigkeit“) ein absoluter Witz ist!

Selbst wenn du es schaffst, im Bewerbungsgespräch zu überzeugen, scheiterst du spätestens an den Abweichungen deiner Gehaltsvorstellung und der des Arbeitgebers. „Es freut mich ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen gerne den Job anbieten möchten. Das Einstiegsgehalt beträgt 25.000 EUR jährlich, die wöchentliche Arbeitszeit liegt bei roundabout 47 Stunden pro Woche. *lächelnd* Überstunden sollten ja kein Problem für Sie sein, oder?“. Seriously? Nach x Jahren Studium? Nachdem wir uns unseren Hintern aufgerissen haben im Studium, um diesen Job zu bekommen? Das soll nicht falsch verstanden werden, aber wenn das vorgeschlagene Gehalt um mindestens 20% von den im Internet angegebenen Gehältern abweicht, dann läuft doch was falsch, oder nicht?

Irgendwann hast du dann doch mal Glück – oder auch nicht

Nach langem Suchen nach einem einigermaßen annehmbaren Job, findest du dann hoffentlich doch irgendwann eine Stelle, die sich nicht nach Ausbeutung anhört und im Rahmen dessen liegt, was du denkst, leisten zu können und zu wollen. Der erste Tag ist ein verdammter Spießroutenlauf, aber du überstehst ihn ohne größere Blessuren. Doch je nachdem, wie ernst die neue Firma das Thema Einarbeitung nimmt – und das reicht hier von wochenlangen Schulungen und Teamevents bis hin zu schlicht „nicht vorhanden“ – stehst du wieder da wie ein Idiot. Vielleicht merkst du, dass nicht alles, was man in der Uni gelernt hat, dich wirklich auf den Job vorbereitet (kleiner Spoiler: hahaha NICHT), oder du wünscht dir, ab und an ein bisschen besser aufgepasst zu haben. Was ich beispielsweise nie erwartet hätte ist, dass so eine graue Theorie wie die 4Ps tatsächlich gleich in meiner ersten Arbeitswoche gefordert werden mit den Worten „bis Morgen bitte die integrierte Marketingstrategie anhand der 4 bzw. 7Ps ausarbeiten“. Ähm, ja klar, schon mal gehört… Vielleicht hätte ich das nicht nur für die Prüfung auswendig lernen sollen. Und das ist jetzt nur ein kleines Beispiel dafür, womit du den ganzen Tag so konfrontiert wirst. Dir werden Aufgaben gestellt werden, die dir erst mal zu groß erscheinen.

Wie man es vielleicht schaffen kann

Wichtig ist, dass man weiß, dass der Arbeitgeber zwar viel erwarten kann, du aber nicht verpflichtet bist, innerhalb der ersten Wochen und Monate auf alles eine Antwort zu haben. Wenn du etwas nicht (auf Anhieb) weißt, dann gib es zu und versichere, dass du dir das Wissen aneignen wirst. Noch etwas: Frag lieber einmal zu oft, als am Ende eine schlechte Arbeit abzuliefern, die möglicherweise völlig am Ziel vorbeigeht. In der Praxis erprobt und für gut befunden: Knüpfe (die richtigen) Kontakte. Ein völlig absurder Begriff aus dem Berufsleben sind „Seilschaften“, eine Analogie zum Bergsteigen. Der Begriff mag seltsam sein, aber es hilft. Versuche Kollegen zu finden, die dich weiterbringen und dir helfen, wenn du mal nicht mehr selbst weiterkommst. Umso mehr dieser Seilschaften du knüpfst, umso öfter wirst du auf das Wissen deiner Kollegen zugreifen können und erstaunlich gute Arbeit abliefern. Vorsicht ist natürlich auch hier geboten, denn sollte einer deiner Kumpanen irgendwann beiläufig erwähnen, dass du ihn ständig löcherst, wird das nicht unbedingt ein gutes Licht auf dich und deine Arbeit werfen.

Und dann wird der Tag kommen, an dem du eine Aufgabe erhältst, die du nach wie vor erst mal als unmachbar einschätzt und sie trotzdem bewältigst. Wie? Du fängst einfach an. Und dann machst du weiter, weil du in kürzester Zeit so viel mehr gelernt hast, also du es je für möglich gehalten hättest und du bekommst das hin. Und sollte das nicht der Fall sein, dann tröste dich einfach damit, dass die anderen Kollegen es auch nicht hinbekommen. Die erzählen vielleicht in der Kaffeeküche „wie sie das krasse Proposal innerhalb von 28 Stunden (natürlich am Stück) so richtig gerockt haben und wie begeistert der Kunde war“, sitzen aber jeden Abend heulend auf der Bettkante und bereuen ihre Berufswahl. Also – fake it till you make it. Dann kann dir eigentlich nichts passieren.