Skyline in Shanghai

Das Sozialkreditsystem Chinas

Seit mehreren Jahren arbeitet China an einem sogenannten Sozialkreditsystem, welches der umfassenden sozialen Überwachung der chinesischen Bürger:innen dienen soll. Politische, soziale und moralische Kontrolle im Alltag basierend auf einem digitalen Punktekonto ist das Ziel der bisher laufenden Pilotprojekte.

In China werden die Menschen viel stärker kontrolliert als in der westlichen Welt und große Online-Konzerne wie Alibaba, dem chinesischen Amazon, sammeln schon jetzt zahlreiche Daten über das individuelle Konsumverhalten und die Zahlungsfähigkeit ihrer Kund:innen.

Durch das schlecht entwickelte Kreditsystem der Banken ist es für Privatpersonen sehr schwer an einen Kleinkredit der Bank zu gelangen. Kommerzielle Kreditsysteme wie Alibaba messen die Kreditwürdigkeit der Chinesen und vergeben auf Basis der individuellen Scores Kredite.

Ein nationales System ist schon vorhanden, es ist allerdings weniger weitreichend, als das geplante Sozialkreditsystem es werden soll. Es dient eher als Belohnungssystem und weniger als ein Sanktionsmechanismus.

Wie funktioniert das Sozialkreditsystem?

In der Küstenstadt Rongcheng läuft bereits eines der Testprojekte. Die Bürger*innen erhalten ein digitales Punktekonto mit einem Startkapital von 1000 Punkten. Nun können Bonuspunkte und Minuspunkte gesammelt werden, die zu dem Startkapital hinzukommen oder abgezogen werden. Kameras werden zur Überwachung verwendet und die automatische Gesichtserkennung ermöglicht die individuelle Erfassung des Verhaltens.

Taten wie Blutspenden oder ehrenamtliche Arbeit erzeugen Bonuspunkte, während Dinge wie Regelverstöße und Verkehrsdelikte Gründe für Minuspunkte darstellen. Falls Bürger:innen zu viele Minuspunkte gesammelt haben, drohen Bestrafungen. Sie können auf einer sogenannten schwarzen Liste landen und werden von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wie bestimmte Züge oder Flugzeuge, ausgeschlossen.

Auch Unternehmen fallen in dieses Bewertungssystem. Bei Verstößen gegen Umweltgesetze oder den Verbraucherschutz können auch sie auf schwarzen Listen vermerkt und von staatlichen Krediten und Projekten ausgeschlossen werden.

Der Grund für das Sozialkreditsystem

China erlebt eine Vertrauenskrise. Frühere Skandale führten zu fehlendem gegenseitigen Vertrauen der Bürger*innen untereinander. Dieses Vertrauen möchte der Staat nun mithilfe des Bonitätssystems wiederherstellen. Büger:innen sollen zu besserem, regelkonformen Verhalten gebracht werden, indem sie ihre Taten stärker reflektieren.

Das System funktioniert als Ersatz für das schlechte Rechtssystem und erhält so die Zustimmung der Bürger*innen. Diese haben den Glauben daran verloren, dass Aufsichtsorgane vor Betrügern und schlechten Menschen schützen können. Aus diesem Grund sind die meisten Chinesen dem System positiv gegenüber eingestellt. Das System sei kein Überwachungsinstrument, sondern ein Werkzeug, um die Lebensqualität zu verbessern.

Kritik am System

Kritiker sehen dieses System und seine Befürwortung der Bürger*innen als problematisch an. Durch die fehlende freie Presse fehlt auch die kritische Berichterstattung über das System und lässt die Bürger*innen im Dunklen, was es wirklich bedeutet, so stark kontrolliert zu werden.

Die Entwicklung geht immer weiter Richtung Überwachungsstaat, sagen Kritiker. Das System diene der Machtfestigung und der umfassenden Überwachung der Bürger*innen. Die Datenerfassung ist staatlich-zentriert und es ist nicht bekannt, nach welchen Regeln das System funktioniert, nach welchen Kriterien Punkte verteilt werden und wie bewertet wird.

Wann und in welchen Ausmaßen das Sozialkreditsystem eingeführt wird, ist noch unklar, im Moment werden die Daten der Pilotprojekte ausgewertet.

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Bildquelle: Wolfram K von pexels ; CC0-Lizenz