„Nen schönen Tag noch“ – Ein Plädoyer Für mehr Freundlichkeit im Alltag
Bei mir im Heimatdorf grüßt man sich noch, weil jeder jeden kennt, so in etwa zumindest. In meiner Wahlheimat Augsburg passiert das nicht, ist eben eine Stadt – man würde mit dem Grüßen schließlich gar nicht mehr fertig. Ist klar. Aber dennoch, manchmal fehlt mir die Freundlichkeit auf den Straßen. Ein sich in die Augen blicken, gespickt mit einem Lächeln, ein ernst gemeintes „Nen schönen Tag noch“.
Das erheitert den Tag ungemein und man gibt diese Freude wiederum selbst gerne weiter. Denn es ist irgendwie ansteckend, das Lächeln, das Glück in den Augen. Und hat nicht gerade die Corona-Zeit gezeigt, wie wichtig das menschliche Zusammenleben ist?
Letztens war ich in meiner Heimat zu Besuch. Das halbe Dorf war versammelt, um den Maibaum aufzustellen. Ein Kraftakt, der viele Freiwillige braucht. Die gibt es hier noch. Aber genauso gab es viele Schaulustige. Die Leute tratschten über die Straße hinweg, es wurde gelacht, die Stimmung war ausgelassen. „Ja, Hi Peter schon lang nicht mehr gesehen“, schmunzelt Susanne. Der Stadt-Land-Kontrast ist gewaltig. Zuhause ist das ganze Dorf wie eine etwas zu groß geratene Familie, man muss nichts miteinander machen, aber ein kleines Pläuschchen beim Sonntagsspaziergang schadet dennoch nicht. Man braucht da einfach etwas mehr Zeit. In Augsburg läuft einem schon auch mal ein bekanntes Gesicht über den weg, aber seltener. Und auch, wenn das Großstadtfeeling weitestgehend fehlt, kann man sich selbst hier gut unter dem Deckmantel der Anonymität verstecken. Dagegen erlebe ich in meiner Heimat einen Zusammenhalt, der umso mehr heraussticht, je länger ich nicht mehr dort war. Jeder hilft, wo er kann. Nachbarn sind hier nicht nur unsichtbare Nebenbewohner, die man hier und da mal die Treppen hinauf schleichen sieht. Sie packen mit an und fragen, wie’s denn so geht.
Ein bisschen vermisse ich das, dieses Gefühl von Zugehörigkeit, in der großen weiten Welt, einen kleinen Fleck zu haben, in der es zählt, dass ich Ich bin. Wenn ich durch die Stadt laufe, wird man zugleich auch immer mit dem Gefühl konfrontiert auswechselbar zu sein. Wer bin ich schon? Und doch ist die Welt ein Dorf. Wir alle teilen das Schicksal, uns diesen großen und doch begrenzten Lebensraum zu teilen. Man kann nicht immer und zu jedem Hallo sagen, der einem entgegenläuft, aber man kann sich an der Kasse ’nen schönen Tag‘ wünschen, ernstgemeint, mit Augenkontakt und Lächeln. Man kann diese Welt mit kleinen Gesten ein Stückchen besser machen, ein bisschen freundlicher. Das kostet nichts, nur ein wenig Überwindung. Und wenn darunter nur eine Person ist, dessen Tag man damit erheitert hat, dann hat sich die Sache doch schon gelohnt. Also beende ich diesen Artikel mit einem aufrichtigen, wenn auch virtuellen „Einen schönen Tag dir noch“ mit der Bitte, dass du dasselbe heute einer anderen, dir fremden Person wünschst.
Mehr Themen
Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!
Bildquelle: pexels von Amina Filkins, CC0-Lizenz