Abenteuer

Vom Bereuen, etwas (nicht) getan zu haben

„Womit könntest du eher leben: Damit, zu bereuen, etwas nicht gemacht zu haben, als du die einmalige Möglichkeit dazu hattest? Oder mit Schuldgefühlen – eben weil du es doch getan hast?“

Diese Nachricht schreibe ich zwei meiner besten Freundinnen.

„Mit dem Gefühl, etwas verpasst zu haben“, antwortet die eine.

„Mit den Schuldgefühlen“, antwortet die andere.

Engelchen und Teufelchen auf meiner linken und rechten Schulter.

Es ist doch so: Manchmal geraten wir im Leben in Situationen, in denen wir uns entscheiden müssen. Und zwar schnell. Die Rede ist nicht von lebensverändernden Entscheidungen wie der Wahl der Studienrichtung, des Jobs oder des Partners beziehungsweise der Partnerin.

Es geht um Entscheidungen, die in ihrer Tragweite zunächst eher unwesentlich erscheinen:

  • Gehe ich zum Geburtstag meines Opas, obwohl ich lieber zu der krassen WG-Party gehen würde, die am selben Abend stattfindet?
  • Gehe ich mit jemandem nach Hause oder nicht?
  • Sage ich das Treffen mit einer Freundin ab, weil ein Freund die spontane Idee hatte, am selben Tag in den Europapark zu fahren?  

Diese Entscheidungen wirken nicht ultimativ wichtig. „Tu es oder lass es halt“, könnte man meinen. Und so ist es im Prinzip ja auch: Letztendlich tut man es – oder man lässt es sein. Der Faktor, der zumindest manchmal erschwerend hinzukommt, besteht aber darin, dass man selbst häufig nicht die einzige Person ist, die die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen tragen muss.

Da sind noch andere Menschen:

  • Der Opa.
  • Der Mensch, den man liebt.
  • Die Freundin.
  • Menschen, die enttäuscht wären, wenn man sich „falsch“ entscheidet – vorausgesetzt man ist so ehrlich und sagt ihnen die Wahrheit.

Letztendlich ist die Entscheidung dazwischen, ob man lieber bereut, etwas getan oder nicht getan zu haben, oftmals eine Entscheidung zwischen den Menschen, die man gernhat. Und einem selbst.

Kann man eher damit leben, jemanden unglücklich zu machen, den man liebt – oder damit, sich selbst zumindest für kurze Zeit unglücklich zu machen?

Kann man eher damit leben, jemanden zu enttäuschen (und im Anschluss von sich selbst enttäuscht zu sein), oder mit dem konkreten Wissen, etwas Unkonkretes und doch Bestimmtes verpasst zu haben?

Ich glaube, dass das pseudophilosophische Sprichwort Man bereut nur, was man nicht getan hat“ zwar in seinen Grundzügen eher richtig ist als falsch ist. Aber dennoch lässt sich die Existenz von Situationen nicht leugnen, in denen man bereut, etwas getan zu haben. Weil das Opfer, das man dafür gebracht hat, nämlich eine Person, die man liebt, zu enttäuschen – im Nachhinein zu groß erscheint. Weil diese Sache, die wir entschieden haben zu tun, nicht unsere Erwartungen erfüllt hat; uns nicht das beflügelnde Gefühl verschafft hat, das wir uns von ihr erhofft haben.

Andererseits: Wenn man sich immer wieder für das entscheidet, was andere wollen, und gegen das, was man selbst will – wenn man sich immer wieder für andere und gegen sich selbst entscheidet –, macht man die anderen im Endeffekt ebenso unglücklich wie sich selbst.

Denn erstens würde jemand, dem man am Herzen liegt, wohl nicht wollen, dass man sich selbst immer wieder zum Wohl der anderen Person unglücklich macht.

Und zweitens mündet das Gefühl, in einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht glücklich zu sein, irgendwann zwangsläufig in der Explosion einer Bombe: entweder in Form eines die-Meinung-Geigens, eines Wutanfalls oder einer gänzlichen Trennung.

Natürlich kommt es immer darauf an, worum es geht. Aber letztendlich glaube ich auch, dass – egal, worum es geht – jeder für sich selbst entscheidet. Man trifft seine eigenen Entscheidungen. Und genauso, wie man den Entscheidungsprozess an sich selbst in die Hand nimmt, bin ich der Überzeugung, dass die Entscheidungen, die man trifft, um sich selbst glücklich zu machen, im eigenen Leben letztendlich die Oberhand gewinnen sollten.  

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Bildquelle: Krivec Ales via Pexels, CC0-Liznez