Sprache diskriminiert: Die Anrede Fräulein ist veraltet und nicht mehr angebracht

Fräulein, Mädel, junge Frau: Wie Verniedlichungsformen diskriminieren

Gleichberechtigung beginnt bei der Sprache, denn die prägt unser Bewusstsein. Trotzdem werden immer noch viele Frauen mit „Fräulein“ angesprochen. Das ist sexistisch und unangebracht.

Ann-Cristin arbeitet seit vielen Jahren bei einem ambulanten Pflegedienst. Sie hat viel mit älteren Patient*innen zu tun. „Mit Fräulein oder Mädel werde ich vor allem dann angesprochen, wenn ich in ihren Augen etwas falsch gemacht habe“, erzählt sie. Als ob die Tatsache, dass sie eine junge Frau ist, der Grund dafür gewesen wäre. „Das wird dann auch oft in einem herablassenden Tonfall gesagt.“ Wenn Ann-Cristin ihre Patient*innen darauf hinweist, dass sie bitte mit ihrem Namen angesprochen werden möchte, hört sie nur, dass sie sich doch nicht so anstellen solle. Ganz das Rollenbild der zickigen Frau eben. Aber woher kommt der Begriff „Fräulein“ überhaupt und ist der wirklich sexistisch?

Das „Fräulein“ als Relikt einer sexistischen Gesellschaft

Bis zum Jahr 1972 war der Begriff die förmliche Anrede für unverheiratete Frauen. Eine vergleichbare Bezeichnung für Männer gab es nie. Der Familienstand der Frau war damals so für alle offengelegt, während der von Männern Privatangelegenheit blieb. Einen unverheirateten Mann nannte man ja schließlich auch nicht „Herrlein“ oder „Männlein“. Vor 50 Jahren wurde die Anrede „Fräulein“ in der Amtssprache abgeschafft. Ein Triumph der Emanzipation. Der Begriff ist also ein Relikt von früher. Eine Anrede, die sicherlich nicht von jedem sexistisch gemeint ist. Trotzdem bleibt sie Ausdruck einer sexistischen Gesellschaft, die eine Frau nach ihrem Familienstand kategorisiert und einordnet.

„Bin ich etwa nur eine ‚ganze‘ Frau, wenn ich einen Mann habe?“, fragt sich auch Lilly. Die Studentin arbeitet im Einzelhandel. „Wenn Männer so mit mir reden, sprechen sie mir irgendwo auch die Kompetenz ab. Ich bin fast dreißig Jahre alt und keine sechs mehr. Und so möchte ich auch behandelt werden.“ Trotzdem ist Lilly oft verunsichert. Auch wenn sie das nicht möchte: sie fühlt sich in eine untergeordnete Rolle gedrängt. „Wenn ich so angesprochen werde, dann immer von Männern“, sagt sie.

Die abwertende Sprache als rhetorisches Mittel

Auch in den sozialen Netzwerken werden Frauen immer wieder als „Fräulein“ oder „Mädel“ bezeichnet. Mit einer solchen Sprache soll das Gegenüber verniedlicht werden erläutert die Sprachwissenschaftlerin Professorin Kirsten Schindler von der Universität Köln gegenüber des ZDF. „Die abwertende Sprache ist ein rhetorisches Mittel, um dem Gegenüber nicht auf Augenhöhe zu begegnen“, erklärt sie. „Ansprachen können ignoriert oder zurückgewiesen werden“, sagt Schindler. So stelle man sein Gegenüber damit bloß, sich unangemessen ausgedrückt zu haben. Es sei aber auch wichtig, klar zu benennen, kein Mädchen zu sein.

Vielen Menschen ist der Sexismus hinter den Bezeichnungen nicht bewusst. Wörter und Begrifflichkeiten werden übernommen, ohne sie zu hinterfragen. Das macht es so wichtig, über das Thema Sprache zu reden. Nur so kann sich etwas verändern.

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Bildquelle: Olia Danivelich auf Pexels; CC0-Lizenz