Gruppe von Menschen mit Schildern und Handys

Wenn man in der Masse mitbrüllt, fällt man nicht auf…

Das ganze Konzept Internet baut darauf auf, dass eine Vielzahl von Leuten etwas gut oder schlecht findet. Auch soziale Netzwerke funktionieren mit Folgen, Liken, Teilen. So entstehen Trends, Bewegungen wie FridaysForFuture oder BlackLivesMatter werden international und es gibt einen ganz neuen Markt für Influencer und Blogger. Aber so entstehen auch Shitstorms gegen bekannte Personen, Vorverurteilungen durch die Öffentlichkeit und genauso schnell, wie man aufsteigen kann, kann man auch wieder abfallen. Grundgedanke hierbei ist: Wenn viele Leute etwas gut finden, dann muss es gut sein oder umgekehrt: Wenn wenig Leute etwas gut finden, dann kann es gar nicht gut oder richtig sein. 

Jeder weiß, dass sich das Verhalten von Menschen ändert, wenn man in Gruppen unterwegs ist. Man kann es immer wieder auch bei sich selbst beobachten. Man spricht bestimmte Themen nicht an, Outfits werden lieber nicht angezogen oder auch die Ausdrucksweise verändert je nach dem mit wem man Zeit verbringt. Von Gruppe zu Gruppe unterscheidet sich jedoch, wie stark unser Verhalten von unserem eigentlichen Normalverhalten abweicht. Die Gruppe bietet einen geschützten Raum und kann auch bestärkend auf das eigene Verhalten wirken. Das zeigt sich beispielsweise in extremen Gruppierungen, wie bei Fußball-Ultra-Gruppierungen. Man steigert sich gegenseitig hoch bis hin zu aggressiven Verhalten: Die Menschen um mich rum sind laut und brüllen rum, also kann ich das auch machen, ohne unangenehm aufzufallen. Auch kann die Dynamik in der Gruppe dazu führen, dass man sein eigenes Verhalten oder die eigene Meinung an das der Gruppe anpasst. Man will dazugehören, auch wenn man dafür im schlimmsten Fall eigene Überzeugungen hintenanstellen muss. 

Grade im Internet auf Sozialen Netzwerken lässt sich sowas besonders extrem beobachten. Hier bietet nicht nur die Gruppe einen geschützten Raum, sondern auch die Anonymität und der fehlende Direktkontakt, hinter dem man sich verstecken kann. Besonders in Konflikt- bzw. Krisensituationen wird dies deutlich. Das birgt viele Möglichkeiten, aber auch Gefahren. 

Bewegungen wie FridyasForFuture oder BlackLivesMatter sind viral gegangen und haben international Anhänger gefunden. Es gab und gibt teilweise immer noch weltweite Proteste und angeregte Debatten über Klimawandel, Umweltschutz, Menschenrechte und Rassismus. Gleichgesinnte können sich zusammenschließen und gemeinsam gegen Andersdenkende ihre Ansichten vertreten. Dass die breite Masse aus dem Internet Einfluss hat, hat sich auch deutlich bei dem Push der GameStop Aktien gezeigt – eine Ankündigung und der ganze Markt ist aus dem Ruder gelaufen. 

Die Gefahren, die in so einer wechselhaften, sensationsinteressierten breiten Masse stecken, werden aber auch immer deutlicher. So zeigte der Tod von Kasia Lenhardt im Februar 2021, wie weit Cybermobbing und Shitstorms einen Menschen treiben können. Zum Glück bleiben Fälle wie diese nur Einzelfälle, aber Hassrede und bösen Kommentaren begegnet man im Internet trotzdem täglich. Besonders in Konfliktsituationen sieht man dies, denn dort gilt es vermeintlich mitzureden und seine Meinung kundzutun. Egal ob die Trennung von irgendwelchen Reality-TV-Pärchen oder die Gerichtsverhandlung von Depp vs. Heard – Menschen beziehen Position, verurteilen die andere Seite und hauen in die Tasten der Kommentarspalten, um jeden wissen zu lassen, was sie denken. So schaukeln sich auch Diskussionen im Internet immer weiter hoch, denn wenn man sich gegensätzlich äußert, kann man damit rechnen als Nächstes mit unfreundlichen Kommentaren bombardiert zu werden…

Gruppendynamiken entwickeln förmlich ein Eigenleben, besonders im Internet, weil man dort die direkten Auswirkungen nicht beobachten kann. Deswegen ist es umso wichtiger aufmerksam und vorsichtig zu sein und sich nicht von den Ansichten mitreißen zu lassen. 

Wenn man in der Masse mitbrüllt, fällt man nicht auf – aber schon, wenn man sich einfach nicht von der Stimmung der Masse im Internet mitreißen lässt, macht man einen Unterschied! 

Mehr zu Cybermobbing und, was du dagegen tun kannst, findest du hier.

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Bildquelle: Amine M’Siouri, CO0 Lizenz