Ein Mensch hält eine Spritze in den Händen

Mysterium Kreuzimpfung: Wirksamkeit und Risiken

Personen, die sich im Frühjahr mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca haben impfen lassen, sollen auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) nun eine Zweitimpfung von Biontech oder Moderna erhalten. Der Grund: Nach einer AstraZeneca-Impfung traten in seltenen Fällen schwerwiegende Nebenwirkungen wie Sinusvenenthrombosen auf, deren Risiko mit dem Wechsel zu einem mRNA-Impfstoff minimiert werden kann. Viele Menschen sind jedoch skeptisch und zweifeln an der Wirksamkeit des Impfstoff-Mix. Berechtigterweise?

Als die STIKO am 1. April 2021 das sogenannte heterologe Impfschema beschloss, lagen noch keine verlässlichen Daten zur Wirksamkeit vor. Expert*innen waren allerdings der Ansicht, dass die Kombination beider Impfstoffe keine negativen Folgen nach sich ziehen sollte. Schon vor einigen Monaten konnten Wissenschaftler*innen des spanischen Carlos III Health Institute belegen, dass eine abweichende Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff definitiv besser zu bewerten ist als ein gänzlicher Verzicht auf die zweite Dosis, es fehlte jedoch an Vergleichsdaten zu Personen, welche zu beiden Terminen einen mRNA-Impfstoff erhalten hatten. Mittlerweile wurden auch in diesem Bereich einige wissenschaftliche Studien durchgeführt – mit erfolgreichen Ergebnissen. So kommt eine Untersuchung der Berliner Charité zu dem Schluss, dass Impflinge mit einer ersten Dosis AstraZeneca sowie einer zweiten Dosis Biontech/Pfizer eine ebenso starke Immunantwort zeigen wie solche mit einer doppelten Biontech-Impfung. Forscher*innen der Universität des Saarlands wiesen sogar nach, dass die Kreuzimpfung im Vergleich zur Standardimpfung eine etwas bessere Immunantwort zur Folge hat.

Die leitende Biologin Martina Sester begründet diese Tatsache mit den unterschiedlichen Eigenschaften beider Impfstoffe: Während mRNA-Vakzine eine besonders große Menge von Antikörpern herausbilden, welche eine Infektion verhindern, sorgt die Impfung mit einem Vektorimpfstoff für eine vergleichsweise stärkere T-Zell-Antwort. Diese ist dafür verantwortlich, dass es seltener zu schweren Krankheitsverläufen kommt. Heterologe Impfschemata haben damit sogar das Potenzial, eine allgemein stärkere Wirksamkeit zu erzielen und „das Beste aus zwei Welten“ zu vereinen. Die aktuellen Erkenntnisse sind nach Aussage von Sester allerdings mit Vorsicht zu betrachten: Um eine klare Bilanz, beispielsweise hinsichtlich der Wirkungsdauer, ziehen zu können, fehlt es aktuell noch an Langzeit- und Folgestudien. Klar ist jedoch, dass die Angst vor einem gänzlich fehlenden Impfschutz durch kombinierte Wirkstoffe völlig unbegründet ist.

Und wie sieht es nun mit den Nebenwirkungen aus? In diesem Punkt unterscheiden sich die Ergebnisse der bisherigen Studien leicht. Die spanische sowie die beiden deutschen Untersuchungen konnten keine zusätzlichen Impfreaktionen feststellen, britische Forscher*innen konstatierten für Kreuzimpfungen hingegen eine Zunahme an unerwünschten Nebenwirkungen. Vermutlich ist dies auf die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Impfdosen zurückzuführen: In der entsprechenden Studie erhielten die Versuchspersonen ihre beiden Impfungen in einem Zeitraum von 28 Tagen. Mittlerweile setzt man auf größere Abstände von neun bis zwölf Wochen, wie sie in anderen Untersuchungen auch eingehalten wurden. Damit scheinen sich Nebenwirkungen verhindern oder zumindest reduzieren zu lassen. Über einen längeren Zeitraum hinweg besteht jedoch trotzdem das Risiko, dass bisher unbekannte Langzeitfolgen auftreten – aus diesem Grund werden die Studien weiterhin überwacht und nach Möglichkeit ausgeweitet, um seltene Effekte nachweisen zu können. Wem nicht explizit zu einer Kreuzimpfung geraten wird, sollte sich demzufolge mit der Standardvariante zufriedengeben. Hier lägen eindeutigere Zahlen bezüglich der Sicherheit und Funktionstüchtigkeit vor, so Matthew Snape, Impfstoffforscher an der Universität Oxford.

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Bildquelle: RF._.Studio auf Pexels; CC0-Lizenz