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Generation Burn-out oder: „Die anderen schaffen es doch auch“

Man riet mir, mich zusammen zu reißen

Klagen über steigende Lebenshaltungskosten bei gleichbleibenden Löhnen und in die Höhe sprießenden Mietpreisen, gelten als Jammern auf hohem Niveau. Während der Unterschied von Arbeitszeit und Freizeit durch technologische Hilfsmittel immer kleiner wird, verstärkt sich das ideelle Band zwischen Lohn und Leid. „Arbeit ist nach wie vor das höchste Gut, egal wie schrecklich, schlecht bezahlt oder lästig sie auch sein mag“ (Nick Srnicek, Alex Williams, „Die Zukunft erfinden“). Man riet mir, mich zusammenzureißen. Und wenn ich schon nicht arbeiten wollte, sollte ich doch wenigstens Kinder kriegen. Irgendwo in dem heftigen Gerangel der kompetitiven Selbstverwirklichung bin ich untergetaucht. An mir schwammen die anderen im Strom vorbei, schluckten ihren Unmut über „die Verhältnisse“ und erreichten ein Lebensziel nach dem anderen. Ich sehe ihnen von hier aus zu, wie sie Häuser bauen und Kinder in die Welt setzen.

Du kannst tun und lassen, was du willst

Ungewollt stehen wir ständig in Konkurrenz mit ihnen, sehen, wie sie es schaffen, in welcher Wohnung sie wohnen, wie zufrieden sie mit ihrem Job sind, wie glücklich ihre Beziehungen, wie aufregend ihre letzte Reise, wie knackig ihre Ärsche. Das geht weit über grünfärbenden Neid auf das Glück der anderen hinaus. Dieses Glück ist schon lange nichts mehr, wonach wir geduldig auf die Suche gehen. Es ist nicht etwas, dass wir unter jedem Stein finden, denn in ihn ist bereits die Definition von Glück gemeißelt. Du kannst tun und lassen, was du willst, aber bitte mit Erfolg! Du bringst Leistung für etwas, das keine eigene Bedeutung mehr hat außerhalb des Kontexts der anderen. Sehen sie zu? Finden sie mich gut? Sind sie noch da? Sind sie schon wieder einen Schritt weiter?

Höchstleistungen trotz düsterer Aussichten

Und so reißen sich alle zusammen, während ein riesiges Damoklesschwert aus Klimakatastrophen, der ungebändigten Ungerechtigkeit des Kapitalismus, dem Steigen des Meeresspiegels, der Flüchtlingskrise, Burn-out, Artensterben, Sexismus, Krieg und Hungersnöten, drohend über unseren Köpfen hängt. Die anderen stocken nicht in Anbetracht dieser düsteren Aussichten – im Gegenteil sie fahren zu Höchstleistungen auf. Globales Elend geht sie komischerweise nichts an.