Fremdgehen: Vielleicht war es keine große Sache, doch das gesellschaftliche Stigma sagt etwas anderes. Bild: Pexels

LiebesLeben: Fremdgehen – das universale Tabu?

Das passendste Wort ist vielleicht der Seitensprung. Das trifft den Kern der Sache meiner Meinung nach ganz gut: Man springt kurz zur Seite, und danach springt man wieder zurück. Das klingt irgendwie ein bisschen netter, leichter, dynamischer.

Ich kenne einige Menschen, die schon einmal etwas mit einer anderen Person hatten, während sie in einer Beziehung waren – und ich kenne auf der anderen Seite auch einige Menschen, die schon einmal betrogen wurden (da es kein besseres, geläufiges Wort gibt, muss ich wohl dieses benutzen).

Ich weiß, wie verletzt all die Menschen waren, die betrogen wurden – aber ich kann auf der anderen Seite mit vollkommener Gewissheit sagen, dass alle Personen, die ich kenne und die selbst jemanden betrogen haben, ihre*n Partner*in trotzdem sehr geliebt haben bzw. lieben. Darum glaube ich, dass es in den meisten Fällen tatsächlich nicht besonders viel über die Beziehung aussagt – jedenfalls nicht, wenn es bei einer einmaligen Sache bleibt. Etwas anderes ist es vielleicht, wenn sich daraus wirklich eine langfristige Affäre entwickelt. Und ja, natürlich kann es auch passieren, dass sich eine*r der Partner*innen tatsächlich in jemand anderes verliebt und die Gefühle für den*die Partner*in sich verflüchtigen. Aber in den meisten Fällen, von denen ich weiß, handelte es sich tatsächlich um einmalige Angelegenheiten, die absolut gar nichts mit der Liebe zu dem*der Partner*in zu tun hatten.

Außerdem habe ich den Eindruck, dass es in der Gesellschaft wahnsinnig stigmatisiert ist, dem*der Partner*in zu verzeihen, wenn er*sie fremdgegangen ist. Die Meinungen von Freund*innen, denen man von der Sache erzählt, prasseln auf einen herab und sagen meist alle das Gleiche aus. Man müsse sich definitiv trennen; wenn man es nicht tut, habe man keinen Stolz; man werde ihm*ihr nie wieder vertrauen können; er*sie werde es immer wieder tun. Man wird sehr von Menschen unter Druck gesetzt, die eigentlich gar nicht viel über die Beziehung sagen können, weil sie nun einmal kein Teil davon sind.

Falls ihr also gerade in einer Situation sein solltet, in der ihr nicht wisst, wie es mit eurer Beziehung weitergehen soll: Lasst euch nichts erzählen. Nicht von euren Freund*innen, nicht von eurem*eurer Partner*in, von niemandem. Entscheidet für euch selbst – und nicht nach irgendwelchen gesellschaftlichen Stigmata.

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Bildquelle: Roman Odintsov on Pexels; CC0-Lizenz