Warum suchen manche Frauen in ihrem Partner einen Vaterersatz? Bild: Pexels

LiebesLeben: „Bitte, Daddy!“ – Der Vaterkomplex

Katja malt mit Sprache Bilder auf ihre Wortleinwand. In ihrer Kolumne nimmt sie euch mit in ihr Atelier: Als absoluter Gefühlsmensch schreibt sie über die Liebe und das Leben – ein bisschen philosophisch und ein bisschen psychologisch, mit einem Hauch von Melancholie.

Wer diesen Artikel in der Hoffnung angeklickt hat, es ginge hier um Daddy Issues als sexualisiertes Phänomen, den muss ich leider enttäuschen. Hier wird nicht mit Frauen abgerechnet, die sich immer wieder ältere Männer an ihre Seite holen oder ihren Partner beim Sex Daddy nennen. Wo die Liebe hinfällt und jede*r, wie es ihm*ihr gefällt.

Stattdessen soll es um ein psychologisches Phänomen gehen, das meist spöttisch und etwas abwertend als Vaterkomplex bezeichnet wird, hinter dem aber eigentlich so viel mehr steckt. Bei allem, was ich in diesem Artikel schreibe, beziehe ich mich auf die Bücher Das Kind in dir muss Heimat finden von Stefanie Stahl und Das Kind in uns von John Bradshaw, sowie auf einige Podcast-Folgen zum Thema Bindungsstörungen und Dinge, die mein Psychotherapeut mir erklärt hat.

Dieser Artikel handelt also von Frauen (und natürlich auch von Männern, die auf Männer stehen), die in ihrem Beziehungspartner nach einem Vaterersatz suchen – davon, welche Schwierigkeiten das in Partnerschaften mit sich bringt und davon, aus welchen Gründen sie das tun. Und naja: In diesem Fall sind Väter die Mütter aller Probleme.

Denn ein Vater bedeutet alles. Zumindest in unserer Kindheit. Ein Vater ist die erste männliche Bezugsperson, die wir in unserem Leben haben. Und bis zum ersten Freund wahrscheinlich auch die wichtigste.

Und selbst über den ersten, zweiten, dritten und letzten Freund hinaus ist der Vater, den wir hatten, irgendwie immer noch am entscheidendsten. Denn ein Vater ist der Mann, der uns über eine einzelne Beziehung hinaus am stärksten prägt. Ob er seine Aufgabe gut oder schlecht gemacht hat, spiegelt sich in unserem Selbstwert und in allen romantischen Beziehungen wider, die wir im Laufe unseres gesamten Lebens führen. Wir alle sind Produkte unserer Umwelt. Und die Komplexe, unter denen wir leiden, die Probleme, die wir haben oder nicht haben, sind in erster Linie Erzeugnisse unserer Eltern.

Vorab gesagt: Der Vaterkomplex ist nicht im ICD-10 (wichtigstes, weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen) enthalten und gilt somit nicht als psychische Störung. Da es sich eben nicht um eine offizielle, wissenschaftliche Diagnose handelt, wird der Begriff oft auf sexistische Weise verwendet – und zwar, um sich über die (sexuellen) Bedürfnisse und Bemühungen von Frauen lustig zu machen bzw. letztere herunterzuspielen.