Mann sitzt auf dem Dach

LiebesLeben: Der „Für mich wird er sich ändern“-Irrglaube

Als ich vor knapp zwei Jahren eine Therapie gemacht habe, hat mein Therapeut mir viele Weisheiten mit auf den Weg gegeben. Einer davon lautete: Jeder hat das Recht auf sein eigenes Unglück. Soll so viel heißen wie: Auch, wenn man der Meinung ist, dass jemand mit einer anderen Lebenseinstellung viel besser dran wäre oder lieber eine andere Entscheidung treffen sollte, hat man nicht das Recht, dieser Person in ihre Einstellung oder Entscheidung reinzureden. Denn was maßt man sich an, zu glauben, man könne bessere Entscheidungen über das Leben einer Person treffen als diese Person selbst?

Man kann es überhaupt nicht verantworten, das zu tun. Denn wenn man selbst beginnt, zu versuchen, andere massiv in ihren Entscheidungen zu beeinflussen, und die Entscheidung dieser Person dann tatsächlich zugunsten der eigenen Präferenzen ausfällt, die Person allerdings nicht wie erwartet glücklich, sondern vielmehr unglücklich macht, wird man sich immer fragen, zu welchem Teil man selbst nun für das Unglück dieser Person verantwortlich ist – und ob es nicht besser gewesen wäre, zwar mit der Person zu reden, aber nicht zu versuchen, sie zu etwas zu überreden. Letztendlich weiß jeder selbst, was für ihn*sie am besten ist – ob man das versteht oder nicht, ist völlig irrelevant. Man muss lernen, es zu akzeptieren.

Wenn man also beginnt, jemanden zu daten, und diese Person klar sagt, dass sie nicht auf der Suche nach einer Beziehung ist, dann ist es eigentlich ziemlich anmaßend und auch respektlos, dieser Person das, was sie da über sich selbst erzählt, nicht zu glauben – und stattdessen anzunehmen, man kenne diese Person besser als sie sich selbst.

Was man also tun sollte, bevor man jemanden kennenlernt, ist, sich darüber bewusst zu werden, was man möchte, und anschließend zu seinen Wünschen und Bedürfnissen zu stehen, wenn man dann jemanden datet – auch und insbesondere dann, wenn man beim Kennenlernen feststellt, dass sie nicht mit den Wünschen und Bedürfnissen der anderen Person übereinstimmen.

Es ist besser, ganz am Anfang zu merken, dass es nicht passt, als die Wahrheit nicht sehen zu wollen, sich selbst etwas vorzumachen und dann im Laufe der gemeinsamen Zeit irgendwann auf brutale Weise aus diesem Traum herausgerissen zu werden und zu realisieren, dass es nicht funktioniert hat, die Person, die man wollte, zu verändern.

Stattdessen sollte man sich zu Beginn bewusst machen, dass eine Person, von der man glaubt, sie erst verändern zu müssen, überhaupt nicht die Person sein kann, die man eigentlich will.

Mehr von LiebesLeben:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!
Bildquelle: Louis Hansel on Unsplash; CC0-Lizenz