Paar, das eng umschlungen auf dem Boden sitzt

LiebesLeben: Sind wir für andere Menschen verantwortlich?

Denn ich finde sehr wohl, dass wir für Menschen, die uns am Herzen liegen, mitverantwortlich sind. Sicher kann in den meisten Fällen nicht ein*e Freund*in allein dafür sorgen, dass es mir wieder besser geht, wenn etwas Schreckliches vorgefallen ist. Es wäre auch ziemlich anmaßend, zu glauben, dass eine einzige Person für eine andere verantwortlich ist. Aber ich glaube, dass die Gesamtheit der Menschen, die ich liebe, definitiv einen großen Teil dazu beitragen kann, mich aus einem Loch herauszuholen.

Vielleicht habe ich irgendeinen fundamentalen Denkfehler – falls ja, korrigiert mich. Aber ich finde: Wenn es mir schlecht geht, ist es doch die Aufgabe meiner Freund*innen, mir Raum für Emotionen zu geben, mich reden zu lassen, mir zuzuhören, mich abzulenken. Und es auch mal auszuhalten, wenn ich mich zeitweise an sie klammere, weil alle anderen Anker, die ich in meinem Leben zu wissen geglaubt hatte, mir ungewollt aus der Hand gleiten. Ist es nicht die Essenz jeglicher Form von Liebe, eben nicht zu gehen, wenn es schwierig wird?

Und: Braucht es überhaupt Liebe, um für eine andere Person da zu sein?

Denn ich finde, diese ganze Überlegung funktioniert nicht nur für Menschen, die uns nahestehen. Sie funktioniert auch für Menschen, die wir im Grunde überhaupt nicht kennen, die wir zum ersten Mal in unserem Leben sehen. Wenn ich im Bus, am Bahnhof, in der Stadt oder an einem anderen öffentlichen Ort eine Person sehe, die sichtlich fertig mit der Welt ist, dann ist es doch meine verdammte Pflicht, zumindest zu fragen, ob ich ihr irgendwie helfen kann.

Wahrscheinlich vertrete ich diese Auffassung unter anderem, weil ich selbst schon unzählige Male in der Öffentlichkeit beinahe an meinen eigenen Tränen erstickt wäre und ich immer dankbar für jede Person gewesen bin, die mir ihre Hilfe angeboten hat – weil die wenigen Menschen, die genau das getan haben, mir das Gefühl gegeben haben, ein bisschen weniger allein auf dieser Welt zu sein.