Verzweifelte Frau rauft sich die Haare

Misophonie: Ich werde aggressiv, wenn andere essen

Wer bei triggernden Geräuschen unter Angst leidet, hat vermutlich nicht Misophonie sondern eine Phonophobie. Der Unterschied ist die Reaktion: Statt Angst empfinden Misophoniker*innen Wut, Aggression und Ekel. Aus einer Misophonie kann sich aber im schlimmsten Fall eine Phonophobie entwickeln. Um dem entgegenzuwirken, sollte man mit seinem Umfeld über die Störung sprechen. Freunde und Familie sind auch eher bereit die Reaktionen zu tolerieren, wenn sie wissen, woher sie kommen und um was es sich handelt.

Ironischerweise berichten viele Betroffene, dass sie die triggernden Geräusche vor allem bei nahestehenden Personen stören. So auch bei mir und meinem Freund. Essgeräusche bei anderen stören mich zwar auch, bei ihm wird meine Aggression allerdings am größten. Auch bei meiner Schwester machen mich viele Geräusche wütend, die mich bei Fremden nicht so sehr nerven. Diese Tatsache belastet soziale Beziehungen, denn gerade gegenüber geliebten Menschen empfindet man in solchen Momenten eine große Wut. Manche Betroffene distanzieren sich und gehen dem Problem aus dem Weg, bei anderen eskaliert ein Konflikt.

Bis jetzt sind sich Forscher*innen nicht einig, ob es sich bei Misophonie um eine psychische oder eine neuronale Störung handelt. Die Störung ist noch keine anerkannte Erkrankung und die Forschung ist noch nicht weit fortgeschritten. Gerade deswegen werden Betroffene auch von Ärzten und Fachkräften oft nicht ernst genommen. Ihnen wird vorgeworfen, sie übertreiben und stellen sich an. Auch Fehldiagnosen sind nicht unüblich. Viele denken zuerst an Phobien oder Zwangsstörungen, wenn sie von den Symptomen hören. Doch Damiaan Denys, Leiter der Forschungsprojekte zur Misophonie am Amsterdam Medical Center, ist sich sicher: Misophoniker*innen bilden sich ihre Empfindungen weder ein, noch steigern sie sich in etwas hinein. Das zeigen Messungen der Hirnaktivitäten von Betroffenen.

Da man bis jetzt davon ausgeht, dass Misophonie durch eine fehlerhafte Verknüpfung im Gehirn zustande kommt, gibt es bis jetzt noch keine wirkliche Therapie. Für den Moment können Betroffene nur versuchen, die starken Gefühle zu kontrollieren, die bei einem Trigger aufkommen. Dabei können Entspannungstechniken wie Atemübungen, Yoga oder Autogenes Training helfen. Im Alltag erweisen sich Kopfhörer als gutes Mittel, um sich vor störenden Geräuschen abzuschotten.  

Eine Funk-Reportage von Tru Doku zeigt einen besonders starken Fall von Misophonie. Denise überkommen bei triggernden Geräuschen körperliche Schmerzen. Wenn ihr alles zu viel wird, bricht sie zusammen, heult und wünscht sich, sie wäre taub. Wie sie ihrem Alltag meistert, der durch ihre starke Misophonie bestimmt wird, könnt ihr auf YouTube sehen:

Mich beeinflusst die Misophonie zum Glück nur gelegentlich und nicht dauerhaft. Es hat mir geholfen, mit meinem Umfeld darüber zu sprechen und ihnen zu erklären, dass ich nicht auf sie wütend bin, sondern auf die Geräusche, die sie machen. Auch für mich ist dieses Wissen viel wert. Denn statt die Geräusche jetzt einfach auszuhalten und mich mit aller Kraft selbst zu beherrschen, kann ich nun einfach den Raum verlassen, wenn mein Freund frühstückt oder mit Kopfhörern Musik hören. Das erspart mir und meinem Umfeld eine Menge Stress.

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Bildquelle: Liza Summer von Pexels; CC0-Lizenz