
„Nur noch paar Minuten…“ – Die Qual vorm Schlafengehen
Wer kennt das nicht: Du liegst schon gemütlich im Bett, kuschelst dich in die Bettdecke oder machst es dir auf dem Sofa bequem und du weißt ganz genau, dass du jetzt schlafen gehen solltest. Davor noch kurz durch Reddit, Twitter und Co. browsen und dann… huch, schon zwei Stunden rum!
Dieses Phänomen nennt man „Bedtime-Prokrastination“. Einfach gesagt bedeutet es so viel wie: „Ich weiß, ich sollte jetzt schlafen gehen, aber…“.
Das kleine bisschen „Ich-Zeit“
Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Konzept um den „Rache“-Faktor ergänzt, also „Revenge-Bedtime-Prokrastination“. Der Gedanke dabei: Das Wachbleiben ist quasi ein „Akt des Widerstands“ gegen äußere Lebenseinflüsse. Wenn du den lieben langen Tag nur mit Arbeit, Haushalt und anderen diversen Verpflichtungen verbringst, dann wird die Zeit vor dem Zu-Bett-Gehen eben genutzt, um wenigstens ein kleines bisschen freie Zeit für dich selbst herauszuholen – obwohl du ganz genau weißt, dass du dann am nächsten Tag unausgeschlafen bist und der Alltag zur Tortur werden wird.
Anfällig dafür sind oft Menschen, die sich entweder leicht ablenken lassen, sich im Allgemeinen nicht gut selbst regulieren können oder impulsiv sind. Die Zeit vor dem Schlafengehen kann für einige außerdem die einzige Gelegenheit sein, um tagsüber unterdrückte Gefühle wie Stress, Frustration, Wut oder dergleichen zu verarbeiten.
Den inneren Schweinehund überwinden
Wie bei jeder Form von Prokrastination sind laut Schlafexpert*innen Routinen und die Disziplin enorm hilfreich. Mit einer festen Uhrzeit, zu der das Licht ausgeschaltet wird, ist es aber noch nicht getan: Es ist besser, Körper und Geist langsam herunterzufahren, um sich auf den Schlaf vorzubereiten. Dafür reicht bereits eine Stunde.
Ein Beispiel:
- Reserviere die ersten 20 Minuten für Sachen, die für den nächsten Tag noch unbedingt getan werden müssen.
- Die nächsten 20 Minuten kannst du dich dann der Körperpflege widmen – Duschen, Zähneputzen etc.
- Die letzten 20 Minuten sollten der Entspannung dienen – aber Finger weg vom Smartphone und anderen Bildschirmen!
Dabei solltest du am besten mit festen Uhrzeiten arbeiten, also: „Um 21:20 Uhr gehe ich Zähneputzen“ anstatt „Ich gehe mir gleich die Zähne putzen“. Gedimmtes Licht, möglichst wenig Ablenkung und entspannende Tätigkeiten helfen ebenfalls, dich in Zu-Bett-geh-Stimmung zu bringen.
Es ist auch hilfreich, den eigenen Fortschritt zu verfolgen: Halte fest, wann du ins Bett gegangen bist und was du davor gemacht hast. Hat es sich gelohnt, dafür länger wach zu bleiben? Wenn ja, dann überlege, auf welche andere Tageszeit sich diese Tätigkeit ebenfalls verschieben lassen würde. Wenn nicht, solltest du dich kurz vorm Zu-Bett-Gehen auch nicht damit beschäftigen. Daraus kannst du dann eine To-do-Liste erstellen, mit der du einen Überblick darüber hast, was gemacht werden muss und wofür du deine Zeit verwenden willst.
Schlafen kann ich, wenn ich tot bin
Beim Revenge-Bedtime-Prokrastinieren geht es weniger darum, den Schlaf an sich hinauszuzögern: Schlafen ist ja eine tolle Sache, die wir für gewöhnlich auch gerne machen. Die Abneigung richtet sich eher gegen die Routine des „Bettfertig machen“, also Zähneputzen, umziehen und so weiter. Auch das Gefühl, Zeit zu verlieren oder etwas zu verpassen, kann dich länger wach halten, als gesund für dich ist. Schlussendlich gibt es aber im Internet kaum etwas, was du – im Gegensatz zu deinem Schlaf – am nächsten Morgen nicht noch nachholen kannst.

Mehr Texte zum Thema „Schlaf“ findet ihr hier:
- I can get no sleep? Einschlafhilfen für schlaflose Millennials
- Langer Schlaf und Produktivität haben nichts miteinander zu tun
- Mehr Raum, mehr Nähe – ein Plädoyer für getrennte Schlafzimmer
- 9 seltsame Dinge, die beim Schlafwandeln passiert sind