Frau am Laptop. Bild: Pexels

That Girl nervt – und ich sag dir auch warum

Verstecktes Privileg

Ich persönlich hätte diesen Tagesablauf in meinen frühen 20ern zwar verfolgen können, aber ein Social-Media-Projekt wäre in meiner 40qm WG wohl kaum daraus geworden. Und ich denke, das ist auch schon der entscheidende Faktor. Wenn ich ebendiese niedliche Wohnung schon habe, dann habe ich häufig auch sonst keine Geldsorgen. Ohne Geldsorgen habe ich Zeit für Acai-Bowls mit Granola und Papaya zum Frühstück. Granola ist toll und sieht gut aus, aber es ist auch teuer. Mein Toast mit Ei und Tomate ist da schon weniger ansehnlich. Daran ändert auch die richtige Beleuchtung nichts. Wenn ich also diese hübsche Wohnung und dieses tolle Frühstück habe, dann teile ich meinen perfekten Morgen auf Instagram oder TikTok. Und weil auch die sozialen Netzwerke meinen Content schätzen, pusht der Algorithmus meine Videos. Diese sehen schließlich 100.000 Personen, was mich wiederum dazu bewegt, dranzubleiben. Man sollte den Motivationseffekt von Klicks wirklich nicht unterschätzen.

Denn während sich die einen in ihren winzigen WG-Zimmern abmühen, das Workout noch vor der ersten Vorlesung um acht Uhr sinnvoll zu absolvieren, sitzen die anderen in ihren Yoga-Outfits auf dem Balkon und schreiben ihre Gedanken nieder, wobei sie die Fragen ihrer Follower beantworten. Bestätigung ist wichtig, wenn man dranbleiben will. Und die bekommt man eben leichter, desto mehr Menschen einem folgen.

Gleichzeitig möchte ich damit natürlich nicht sagen, dass diese Follower keinen Druck erzeugen. Wenn man es mal genau nimmt, dann sind die unsichtbaren Menschen auf Social Media ein bisschen wie der Archetyp des Panoptikums. Man wird ständig beobachtet, weiß aber nie, von wem und in welchem zeitlichen Abstand. Gut für das Ziel der Produktivität, schlecht für die psychische Gesundheit. Doch das nur am Rande.