Sandra Bullock in der Rolle der Ruth Slater

The Unforgivable: Sandra Bullock in Bestform

Klar, Figuren wie Harry Potter mag (so gut wie) jeder. Der britische Jugendliche, der von seinen bösen Zieheltern vernachlässigt wird und nur auf der Suche nach Liebe ist und sich auf seiner Reise moralisch immer „gut“ verhält. Aber so ist Ruth Slater eben nicht – sie hat einen Menschen umgebracht. Gerade am Anfang des Filmes kommt sie abweisend und misstrauisch rüber, was angesichts ihrer Vergangenheit nachvollziehbar ist. Je mehr der Film aber voranschreitet, desto mehr lernt man sie auch zu lieben. Denn Ruth macht Erfahrungen, die jeder Mensch nachvollziehen kann: Ablehnung. Egal wie sehr sie sich auch anstrengt, für die Menschen in ihrer alten Heimat bleibt sie die Mörderin, die einen Polizisten umgebracht hat. Dabei spielt auch die hervorragende schauspielerische Leistung von Sandra Bullock eine große Rolle, die den Spagat zwischen der kalten und abweisenden Gefängnisinsassin und einer liebenden, aber auch verzweifelten Schwester schafft. 

Eine vertane Chance

Die große Stärke des Films liegt neben der interessanten Protagonistin vor allem bei den Fragen, die im Laufe des Filmes aufgeworfen werden und auf die man unweigerlich selbst eine Antwort zu finden versucht – was sich nicht immer als so einfach herausstellt. Sollte beispielsweise eine Mörderin nach zwanzig Jahren einfach ihr Leben weiterleben dürfen, obwohl die Angehörigen des Opfers ein Leben lang unter ihrem Verlust leiden? Über den Kurs des Filmes werden diese Gedankenspiele, die alle in eine ähnliche Richtung führen, zwar größtenteils beantwortet, jedoch wird im letzten Drittel durch einen Plot-Twist dafür gesorgt, dass der moralische Konflikt deutlich entschärft wird und manche Charaktere in einem neuen Licht dastehen. Aus Spoilergründen gehe ich an dieser Stelle nicht näher darauf ein, empfinde es aber als vertanes Potenzial in einer sonst bis dato so gut geschriebenen Geschichte. Gegen Ende leidet der Film zudem ein bisschen unter dem Hollywood-Syndrom und mündet in ein gelungenes Ende, das aber leider ein bisschen an der Tragkraft missen lässt, die ich mir nach der starken ersten Hälfte gewünscht hätte. 

Insgesamt ist „The Unforgivable“ also ein guter Film, der durch eine einzigartige Perspektive glänzt, die es noch nicht so oft in groß angelegten Produktionen gegeben hat. Um zu den ganz großen Neuheiten des inzwischen gut gealterten Filmejahres 2021 zu gehören, fehlt am Ende aber leider noch das letzte Quäntchen. „The Unforgivable“ ist ab dem 10. Dezember auf Netflix verfügbar. 

Mehr zum Thema:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!
Bildquelle: Netflix Pressefoto