Vom Dorf in die Techno-Szene: Was passiert wirklich im Berghain?

Mehr Safe Space als Sex-Party

Wo es um Drogen geht, geht es oftmals auch um Sex. Im Berghain spielt Sex allerdings eine kleinere Rolle als man annehmen würde: „Die Outfits sind halt sehr freizügig und kinky. Auch die Art wie die Leute Tanzen hat schon etwas Sexuelles, aber Sex an sich spielt meines Erachtens tatsächlich eher eine untergeordnete Rolle. Wenn Drogen im Spiel sind, nimmt zumindest bei Männern die Erektionsfähigkeit ab und dementsprechend liegt der Fokus eher auf dem Tanzen.“ Einen Darkroom gibt es aber trotzdem. Den hat Simon zwar durchaus von innen gesehen, allerdings keinen Sex im herkömmlichen Sinne gehabt. Wie immer gilt: Alles kann, nichts muss. Verurteilt wird nichts.

Was Partytourist*innen nicht wissen, Berliner*innen allerdings nicht entgangen sein dürfte: Das Berghain hieß früher Ostgut, befand sich an einem anderen Standort und war ein Schwulenclub. Heutzutage ist das Berghain zwar kein exklusiver Ort für schwule Männer, allerdings schätzt Simon, dass noch immer zwei Drittel der Besucher*innen männlich sind und dass die Hälfte der Menschen dort queer ist – so auch Simon selbst.

Dass das Berghain ein Safe Space für queere Menschen ist, gehört zu den Aspekten, die Simon an dem Club so schätzt: „Mir ist dort hinsichtlich meiner Sexualität noch nie was Blödes entgegengebracht worden. Ich hatte den Eindruck, dass auch die straighten Menschen im Berghain sehr angenehm sind. Es ist ein kleiner Fluchtort aus den ganzen Zwängen, Erwartungen und Normen, die es sonst den ganzen Tag lang gibt. Das macht für mich diesen Safe Space aus. Insofern ist es ein Safe Space für alle Menschen, die dorthin gehen.“

Believe the Hype?

Dass das Berghain überhaupt ein Safe Space sein kann, wird durch die Tatsache bedingt, dass so viele Menschen abgewiesen werden. Was die Exklusivität des Clubs betrifft, ist Simon geteilter Meinung: „Es sollte schon ein Safe Space sein. Insofern finde ich es gut, dass Menschen, die sehr nach Influencer*innen aussehen oder eine gewisse Überheblichkeit ausstrahlen, eher gebounced werden.“

Andererseits muss man wegen der harten Tür immer zittern, sofern man nicht wirklich zu den absoluten Stammgästen gehört. Dadurch leidet Simon selbst gewissermaßen unter der Exklusivität: „Mich stresst es tatsächlich sehr, dass das Berghain so exklusiv ist. Ich bin jedes Mal in der Schlange sehr nervös und überlege mir Tage vorher, was ich anziehen könnte und ob ich wohl reinkommen werde. Dass ich mich jedes Mal damit auseinandersetzen muss, finde ich durchaus anstrengend.“

Auf die Frage nach der Berechtigung des Hypes antwortet Simon: „Für mich persönlich wird es dem Hype schon gerecht, den ich ja auch selbst irgendwie um das Berghain mache. Es ist aber definitiv nicht für jeden was. Insofern wird es diesem ‚breiten‘ Hype nicht gerecht. Man muss schon ein bisschen in der Techno-Szene drin sein, um das Berghain wirklich genießen zu können. Wenn ich mir vorstelle, ich würde als Tourist für ein Wochenende nach Berlin kommen, dann würde ich nicht riskieren, im Zweifel vier Stunden anzustehen und dann abgewiesen zu werden. Man kann definitiv auch in anderen Clubs eine richtig gute Zeit haben.“ Simon empfiehlt das Sisyphos, das KitKat und den Tresor. Auch dort ist zwar nicht garantiert, dass man reinkommt, allerdings stehen die Chancen definitiv besser als im Berghain. Man sollte sich aber trotzdem mit dem jeweiligen Club und dem Dresscode auseinandersetzen. Berliner Techno-Clubs haben ihre eigenen Regeln, die teilweise stark von den Standards in anderen Städten abweichen.

Epilog

Es ist Montagmorgen. Irgendwann entscheidet Simon sich dagegen, noch einmal nachzulegen. Die Wirkung wird schwächer. Er und seine Freund*innen setzen sich hin, reden miteinander und entspannen sich. Da wird Simon klar, dass es nach mehr als 24 Stunden an der Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Man könnte meinen, dass man sich leer fühlt, wenn man den lauten Club verlässt, draußen von der Helligkeit geblendet wird und abgesehen von der Geräuschkulisse Berlins plötzlich Stille herrscht. Simon beschreibt das Gegenteil: „Ich würde sagen, ich habe jedes Mal den richtigen Zeitpunkt getroffen. Dadurch bin ich immer sehr glücklich aus dem Club rausgegangen, aber habe mich dann auch gefreut, nach Hause zu kommen. Klingt zwar sehr cheesy, aber ich war nicht traurig, dass es vorbei ist, sondern fand es immer schön, dass alles so passiert ist.“

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Bildquelle: Aleksandr Popov via Unsplash; CC0-Lizenz