Ein Mann umarmt eine Frau von hinten.

Wie egoistisch ist Selbstlosigkeit?

Selbstlosigkeit oder Selbstbeweihräucherung?

Um die Dramatik etwas aus dem Diskurs zu nehmen, beziehe ich mich noch mal auf ein neues Beispiel. Ich weiß nicht mehr das genaue Jahr und auch nicht mehr den genauen Schauplatz, aber in einem kleinen Ort in Deutschland sollten geflüchtete Menschen die Möglichkeit haben, Zuflucht zu finden. Allerdings kamen vielmehr Menschen, als Kapazitäten zur Verfügung standen. Als sich dieses Ereignis rumsprach, sammelten sich schnell einige hilfsbereite Helfer*innen, um Essen zu kochen, Schlafplätze bereitzustellen oder seelischen Beistand zu leisten. Während ich den Bericht sah und die Menschen (die Helfer*innen, nicht die Geflüchteten) interviewt wurden, in die Kamera lächelten und davon berichteten, welch eine Freude es ist, den armen, hilflosen Menschen zu helfen und dass das ja alles selbstverständlich und sie selbst überhaupt nicht so tolle Menschen seien, wie jetzt vielleicht angenommen wird, fragte ich mich, ob das grenzenlose Nächstenliebe oder Selbstliebe war. Ging es wirklich darum, Menschen zu helfen, die furchtbares Leid erlebt haben oder um die Beweihräucherung von einem selbst? Können wir uns nur dann vollends für andere aufopfern und einsetzten, wenn am Ende das Gefühl von Anerkennung und Dankbarkeit auf uns wartet? Und ist das nicht egoistisch

Es gibt also vielleicht noch ein paar mehr Motive anderen zu helfen als die bloße Opferbereitschaft. Der Sinn nach Gerechtigkeit, die eigene moralische Verpflichtung, Religion, Selbstverwirklichung, Mitleid, Liebe und Dankbarkeit von anderen – all das sind Faktoren, die uns altruistisch handeln lassen. Und ich würde behaupten, dass wir alle altruistische Werte in uns tragen, – die einen mehr, die andern weniger. Wir vertreten bestimmte Werte, die wir in der Gesellschaft wiederfinden möchten. Wir wollen Teil einer Gemeinschaft sein, die denselben moralischen Kompass wie wir besitzen. Und vielleicht sind die Motive, die uns anspornen, anderen gegenüber selbstlos und hilfsbereit zu sein, nicht immer uneigennützig. Vielleicht versprechen wir uns von unserem Handeln einen Nutzen für uns selbst in Form von Dankbarkeit, Anerkennung oder dem Gefühl, auch Hilfe zu erhalten, wenn wir sie benötigen. Ein Geben und Nehmen eben. Ich würde das als gesunden Egoismus bezeichnen. Im Endeffekt ist es doch auch egal, warum wir das Richtige tun, viel wichtiger ist doch, dass wir es tun. 

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Bildquelle: Foto von Jakob Owens von Unsplash; CC0-Lizenz