Wie Worte unser Denken beeinflussen

Schuldzuweisung und Wertung

Wörter können Sachverhalte implizieren, die sich in der Realität nicht so widerspiegeln. Wenn ich etwa „Hartzer“ sage, dann denken die meisten Menschen an Schmarotzer, die auf Kosten des Staates leben und zu faul sind, um zu arbeiten. Schließlich hören wir die ganze Zeit, dass die Wirtschaft wächst. Die Jobsuche sollte da doch kein Problem sein. Somit ist es ihre eigene Schuld und zudem noch zutiefst verwerflich. Wir verlieren so aber aus dem Blick, dass die meisten Menschen, die Hartz IV bekommen, das eben nicht aus Bequemlichkeit machen: Das ist auch nur ein Gedanke, auf den Leute kommen können, die sich noch nie mit dem Papierkram und den psychischen Folgen dessen befassen mussten.

Der Begriff „Flüchtlingskrise“ stellt die Geflüchteten ins Zentrum der Debatte, obwohl wir viel mehr über die Normalisierung fremdenfeindlichen Gedankenguts reden sollten.

„Toxische Männlichkeit“ kritisiert ein Bild von Männlichkeit, lässt aber in seiner Begrifflichkeit außen vor, dass besonders Männer darunter leiden. So wie Frauen werden nämlich auch Männer in ein gesellschaftliches Korsett gezwängt und das nicht nur von anderen Männern. Stattdessen einen Begriff wie „toxische Rollenbilder“ zu benutzen, wäre viel neutraler, allgemein umfassender und ein ganzes Stück weniger polemisch.

Worte sind für die Ewigkeit

Egal wie ein Wort am Ende des Tages gemeint ist, es weckt immer Assoziationen: Ein „Angriff“ ist eben eine aktive, in unseren Augen böswillige, Handlung. Und natürlich weiß ich, was es mit „toxischer Männlichkeit“ auf sich hat, trotzdem empfinde ich das Wort als jemand, der selbst schon darunter gelitten hat, als schlicht und ergreifend irreführend. Sollten wir in 100 Jahren noch von der „Flüchtlingskrise“ sprechen, wer garantiert dann, dass diese in all ihren Nuancen im kollektiven Gedächtnis bleibt?

Das Problem besteht darin, dass Worte für lange Zeit bestehen und sich Bedeutungen mit der Zeit wandeln können. Was heute noch selbstverständlich ist, könnte in Zukunft ganz anders gedeutet werden. Sprache ist schließlich für alle da, aber nicht alle führen bei jedem neuen Wort einen ausführlichen etymologischen Hintergrundcheck durch.

Auch wenn es vermutlich niemals eine komplett wertfreie Sprache geben wird, eine weitestgehend unmissverständliche Sprache zu benutzen ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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Bildquelle: Mile Ribeiro, Pexels; CC0-Lizenz