Die Moderatorin Aline Abboud. Sie hat braune lange Haare, trägt einen roten Blazer und lächelt.

Hass und Hetze gegen neue Tagesthemen-Moderatorin Aline Abboud

Eine junge Frau mit libanesischem Migrationshintergrund soll eine der populärsten Nachrichtensendungen der Nation moderieren. Bei vielen Social-Media-Nutzer*innen kommt diese Nachricht alles andere als gut an.

Am Morgen des 21. Juni 2021 gab die ARD bekannt, dass Aline Abboud die Nachfolge von Pinar Atalay als Sprecherin der Tagesthemen antreten wird. Die 33-jährige Journalistin, die in Ost-Berlin geboren wurde, studierte Arabistik an der Universität Leipzig und arbeitete bislang beim öffentlich-rechtlichen Sender ZDF. Dort war sie als Redakteurin für das heute-Magazin tätig und moderierte unter anderem das Kurznachrichtenformat heute Xpress. Während ihres Studiums verbrachte Abboud Semester in Istanbul und Beirut und absolvierte mehrere Praktika bei relevanten Printmedien, bevor sie im Jahr 2014 ein Volontariat im TV- und Online-Bereich des Deutschen Bundestags begann. Auch mit Social Media und moderner Berichterstattung hat die neue Tagesthemen-Moderatorin Erfahrung: Gemeinsam mit Jan Schipmann präsentiert sie auf YouTube und Facebook Wissenswertes rund um die Debatten des Bundestags im Rahmen der funk-Reihe DIE DA OBEN!

Aline Abboud bringt demnach alles mit, was man für eine wichtige Position im Fernsehjournalismus gebrauchen kann: Fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten, berufliche Praxis, ein sympathisches Auftreten und eine professionelle Sprechstimme, die den Zuschauer*innen bislang scheinbar gut zugesagt hat. In den sozialen Medien folgten auf ihre Ernennung dennoch heftige Reaktionen. Dreimal darf man raten, worum es dabei geht: Richtig, um ihr Geschlecht, ihren Namen und ihre ethnische Herkunft. Mit Verweis auf angebliche „Migrantenquoten“ wird behauptet, die „bunte“ Aline Abboud würde im „staatstreuen Propagandafernsehen“ Werbung für den Islam machen wollen. Bald könne man die Tagesschau wohl auf Türkisch genießen, schreibt ein User auf Twitter, man finde ja scheinbar keine „gebürtigen Deutschen“ mehr, mit denen entsprechende Stellen besetzt werden könnten. Von „Newssendungen in muslimischer Hand“ ist die Rede, einem „Menstruationshintergrund“ und einem „exotischen Namen“, der Aline Abboud zum Posten bei der ARD verholfen haben soll. User*innen auf Twitter fordern die Einführung einer „Männerquote“, um „Quotenfrauen“ wie die neue Moderatorin aus dem Rundfunk zu vertreiben, andere Social-Media-Nutzer*innen konzentrieren sich lieber auf äußerliche Aspekte: Das Erste hätte sein Programm wortwörtlich „aufgehübscht“, um ein vermeintliches Framing durchsetzen zu können.

So wirr viele der Kommentare auch erscheinen, spiegeln sie wieder, was den meisten Menschen spätestens in der Corona-Pandemie klar geworden ist: Verschwörungstheorien, Stigmatisierungen und Fremdenfeindlichkeit gewinnen an Bedeutung. Wenn eine Frau Karriere macht, hat sie das prinzipiell imaginären Quoten zu verdanken, Leistung, Durchsetzungsvermögen und eine gute Bildung können wohl kaum die Ursache für ihren Erfolg sein. Handelt es sich wie im Fall von Aline Abboud auch noch um eine Frau mit einem ausländisch klingenden Namen oder einem nicht „typisch deutschen“ Erscheinungsbild, fällt die Hass- und Hetzewelle mindestens doppelt so groß aus. Glücklicherweise scheinen viele Social-Media-Teams effektiv gegen derartige Kommentare vorzugehen. Langfristig gesehen wäre es dennoch deutlich schöner, wenn mehr Diversität, ein höherer Frauenanteil und ein Zuwachs junger Menschen in der deutschen Medienlandschaft von allen Seiten begrüßt werden würden.

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Bildquelle: © ZDF/Thomas Gutberlet