Seitenwechsel: Nach der Saison, ist vor der Saison

In seiner Kolumne Seitenwechsel betrachtet unser Autor Paul aus einer politischen und kulturellen Perspektive die aktuelle Welt des Sports. Er blickt dabei weit über die Faszination des reinen Wettkampfes hinaus: Vom kommerzialisierten Profisport, über ehrenamtliche Vereinsarbeit, bis hin zum Fußballstammtisch in der Kneipe zieht er Rückschlüsse auf gesamtgesellschaftliche Phänomene, geprägt von seinen eigenen Erfahrungen.

Ausnahmsweise mal nicht mit den Gedanken beim Fußball, flatterte vor einigen Wochen plötzlich eine neue Nachricht in die WhatsApp-Gruppe meiner Mannschaft: Der Vorbereitungsplan für die kommende Saison.

Die Sommerpause ist in der Regel die einzige Zeit, um tatsächlich einmal völlig abzuschalten vom Fußball – egal ob für Profis oder Amateure. Wie bereits in der letzten Kolumne berichtet, bietet dies die Chance sich einmal anderen Dingen zu widmen und seinen Alltag nicht ständig abhängig von seinem größten Hobby zu planen. Diese Zeit genieße ich immer sehr.

So auch als ich spontan und ohne Anschlusstermin mit ein paar Freunden zusammensitze, die Sonne genieße und ein kühles Blondes genieße. Die Nachricht des neuen Trainers erweckt in mir schlagartig aber auch wieder die Vorfreude auf die neue Saison. Ich schaue mir den Plan genauer an und sehe einen vollen Terminkalender über ganze 6 Wochen. Neben dem gewöhnlichen Training sind dort Laufeinheiten geplant und Testspiele angesetzt.

Während über einige Wochen weder in Hobbymannschaften noch im Profifußball der Ball rollt, ändert sich dies mit Beginn der Vorbereitung um 180°. In den Wochen vor Saisonstart wird die Grundlage gelegt für eine ganze Saison – und zwar in vielerlei Hinsicht. Besonders in Amateurmannschaften ist der Schwerpunkt der Mannschaft einen vernünftigen Fitnesszustand zu verpassen. Bei der Rückkehr auf den Sportplatz lässt sich bei vielen das entspannte, sportfreie und genussvolle Leben der wohlverdienten Sommerpause erkennen. Den angesetzten Bierbauch und die mangelnde Kondition wettmachen – dazu sind die vielen und vor allem anstrengenden Einheiten der Vorbereitung da. Zudem geht es besonders mit neuem Trainer und neuen Spielern darum taktische Dinge einzustudieren und diese in den Testspielen auszuprobieren. Das hat alles seine Wichtigkeit, ist während der Saison dafür einfach zu wenig Zeit.

Doch das ist nicht das, worauf im mich am meisten freue, als ich den Plan gebannt durchstöbere. Neben der reinen Rückkehr auf den Sportplatz ist es nämlich vor allem das Wiedersehen der Mannschaftkollegen. Zwar hat man auch während der Sommerpause hin und wieder Kontakt zu einzelnen Freunden aus der Mannschaft. Erst zum Trainingsauftakt in der Vorbereitung kommen aber alle wieder zusammen. Und das ist etwas ganz anderes. Vergleichbar mit einer Schulklasse nach den Sommerferien.

Wie jede Gruppe, entwickelt auch eine Mannschaft ihre eigene Struktur und Dynamik, ihre eigenen Verhaltensweisen und Insider. Vieles von dem bleibt auch über Wochen des Entzuges bestehen, nach dem ersten Bier im Anschluss ans Training ist alles wieder beim Alten. Es wird gescherzt und gelacht, das Training analysiert und über den körperlichen Zustand geklagt. Gerade für die Integration der Neuzugänge ist das eines der wichtigsten Komponenten, sich kennenzulernen auch abseits des Platzes und bei einem Kaltgetränk.

Besonders freue ich mich in der Vorbereitung also auf die Regelmäßigkeit, in der ich mit meinen Mannschaftskollegen zusammenkomme. Es bedarf keine Verabredung oder keine Geburtstagsfeier, mehrmals pro Woche ist jetzt wieder Fußball. Und damit nicht nur schwitzen für die neue Saison, sondern auch geselliges Beisammensein. Zu jedem guten Vorbereitungsplan gehört dementsprechend auch mindestens ein Mannschaftsabend. Sei es gemeinsames Schnitzel-Essen im Restaurant, eine Planwagenfahrt oder ein Grillabend, solche Events schweißen eine Mannschaft besonders zusammen. Erst hier erfährt man oft, wie sich der Stürmer verlobt hat, welchem Job der Rechtsverteidiger nachgeht oder wie das Studium des Sechsers verläuft. Neben gemeinsamen Taktiktrainings und Fitnessparcours ist auch das Miteinander und Vertrauen der Teamkameraden wichtig – für ein erfolgreiches zusammenspielen und für eine gute Stimmung innerhalb der Mannschaft.

Als ich den Plan durchgeschaut habe, trage ich mir sofort alle Termine in den Kalender ein. Mehr als jeder zweite Tag ist nun für einige Zeit mit einem Fußballtermin belegt. Aber darauf freue ich mich. Denn mit der Vorbereitung legt man die Grundlage für eine ganze Saison – sportlich aber vor allem auch menschlich.

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Bildquelle: anastasia shuraeva auf pexels