Seitenwechsel: Sommerpause – Leben ohne Fußball

Montag: 2. Bundesliga, Dienstag und Mittwoch: Champions-League, Donnerstag: Europa-League, Freitag bis Sonntag: Bundesliga und zusätzlich noch Länderspiele. Als Fußballfan kann man sich vor Spielen kaum retten. Monatelang steht fast jeden Tag ein spannendes Spiel an. Bis zur Sommerpause steigert sich die Häufigkeit und Intensität bis ins Unermessliche – bis dann für ein paar Wochen gar nicht mehr der Ball rollt. Das ist ungewöhnlich, aber auch erholsam.

Der Fußball hat für viele eine so tragende Rolle im Leben, dass er Großteile des Alltags strukturiert. Sei es die Spielansetzung des Lieblingsvereins oder das eigene Training und Spiel. Kaum eine Beschäftigung oder Person hat dann eine höhere Priorität, Verabredungen und Termine werden nur rund um den Fußball gemacht. Für weniger fußballverrückte Mitmenschen mag das mit unter unverständlich sein oder beleidigend wirken, wenn eine Einladung wegen eines normalen Bundesligaspiel ausgeschlagen oder der Einsatz in der Kreisliga dem Familienfest vorgezogen wird. Für viele aber hängt das Wohlbefinden maßgeblich an der Teilhabe und dem Erfolg im Fußball ab.

Anfang des Sommers spitzt sich in der Regel die Saison und damit die Fülle an wichtigen Spielen zu. Die Meisterschaft geht auf die Zielgerade und die Finals der verschiedenen Pokale werden gespielt. Spätestens im Juni ist dann für alle erstmal Sommerpause. Und das ist auch gut so. Denn irgendwann ist selbst beim größten Fußballfanatiker die Begeisterung aufgebraucht. Das x-te Topspiel ist irgendwann zu viel und das letzte Saisonspiel bei frühsommerlichen Temperaturen mehr Quälerei als Freude. Nicht nur als Fan wird man der Fülle an Spielen irgendwann überdrüssig, die vielen Spiele zehren auch an den Kräften und der Motivation der Spieler. Immer mehr Trainer und Profis kritisieren den zu vollen Spielplan und auch die Zuschauerzahlen gehen teilweise zurück. Doch eine Reduzierung der Spiele ist nicht in Sicht. Die verantwortlichen Verbände sind vielmehr damit beschäftigt den Spielplan immerzu um weitere Wettbewerbe zu ergänzen und Turniere mit immer mehr Mannschaften aufzufüllen. Die Kommerzialisierung des Fußballs lässt grüßen…

Umso schöner ist es für einige Wochen mal komplett abzuschalten von der Welt des Fußballs. Die Profis fahren in ihren wohlverdienten Sommerurlaub, die Amateurkicker genießen ungeahnte Freiheiten. Die Freizeit muss nicht rund um Training und Spiele geplant werden, Einladungen müssen nicht mehr dauernd abgesagt werden und es ist Zeit für das Entdecken anderer Sportarten. Sonntagsmittags Beachvolleyball spielen gehen, Donnerstagsabends spontan in den Biergarten oder ein Kurztrip übers Wochenende ohne Gewissensbisse. Wie entspannt und unbeschwert das Leben ohne Fußball sein kann.

Selbst beim Blick in die Zeitung und aufs Handy oder beim Durchzappen im Fernsehen wird man nicht zurück in den Fußballsog gezogen. Für ein paar Wochen ruht tatsächlich überall der Ball. Das wiederum bietet Raum für andere Sportarten. So läuft beispielsweise zur Zeit das legendäre Tennis-Turnier in Wimbledon und bald startet die Tour de France. Wer sich nicht gänzlich dem Sport entziehen will, wird also kurzerhand zum Eurosport-Dauergucker. Das kann durchaus bereichernd sein. Immer wieder merke ich, dass auch viele andere Sportarten reizvoll und spannend sind. Nicht nur zum selber spielen, sondern auch zum gucken. Oftmals muss man sich dafür aber vollends darauf einlassen und nicht nur die Schlagzeilen auf dem Handy lesen. Dann fiebere ich plötzlich beim Tennis mit oder verfolge gespannt die Bergetappe beim Radrennen. Wenn der Fußball einmal Pause macht, bleibt dafür endlich einmal Raum.

Mit fortschreitender Fußballpause denke ich dann aber doch immer öfter an meine eigene Mannschaft und meinen Lieblingsverein. Wenn der Vorbereitungsplan in die WhatsApp-Gruppe geschickt wird oder die Push-Up-Benachrichtigung eines Spielertransfers aufs Handy flattert, kommt die Vorfreude auf die neue Saison auch schnell wieder zurück. Dann male ich mir aus wie erfolgreich wir spielen könnten, diskutiere über den neuen Trainer und verspüre einen Drang endlich wieder einen Ball am Fuß zu haben. Dann geraten die anderen Sportarten wieder in den Hintergrund und ich nehme es gerne in Kauf für den Fußball auf andere Dinge zu verzichten.

Und so nähern sind die wenigen fußballfreien Wochen, die geprägt sind von Transferticker statt Liveticker, von Tour de France statt Bundesligakonferenz und von Biergarten statt Kreisliga, auch schnell wieder dem Ende. Die Sommerpause hat somit seine Vorzüge, das schönste aber ist die Vorfreude auf die neue Saison.

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Bildquelle: perfecto capucine auf pexels